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Rahmenabkommen mit der EU Kassieren die EU-Richter dereinst unseren Lohnschutz?

Der EuGH erklärt Österreichs flankierende Massnahmen für ungültig. Das könnte er auch im Falle der Schweiz tun. Theoretisch.

Der Aufschrei des österreichischen Gewerkschaftsbundes kam prompt. Das Urteil sei ein «schwarzer Tag für das soziale Europa». Die Kritik richtet sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Dieser gewichte bei Streitfragen die Wirtschaftsfreiheit jeweils höher als den Schutz der Arbeitnehmer.

Kurt Pärli, Rechtsprofessor an der Uni Basel und Spezialist für genau solche Fragen, kann diese Kritik am EuGH durchaus verstehen: «Es gibt zumindest eine Tradition solcher doch eher marktliberaler Urteile.»

Bekannt sind vor allem zwei Urteile aus den Jahren 2005 und 2006. Diese gelten als eigentliche Traumata der Gewerkschaften. Mit jenen Grundsatzurteilen stellte der EuGH die Wirtschaftsfreiheit über den Schutz der Arbeitnehmenden.

EuGH als Motor der Liberalisierung

Der Gerichtshof war und ist Motor der Liberalisierung, der die Vollendung des Binnenmarktes anstrebt. Pärli sieht auch dieses neue Urteil des EuGH über flankierende Massnahmen in Österreich in diesem Kontext: «Man kann es in diese Tradition stellen und es ist sicher nicht das letzte derartige Urteil. Auch wenn nicht alle Urteile des EuGH so ausfallen, dass der Marktgedanke stärker betont wird.»

Der Stein des Anstosses

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Ein österreichischer Bauherr hat ein Haus gebaut und liess einen Teil der Arbeiten durch ein slowenisches Unternehmen erledigen. Weil dieses aber nicht alle arbeitsrechtlichen Vorschriften vor Ort korrekt einhielt, intervenierte der österreichische Staat.

Der Bauherr durfte dem slowenischen Unternehmen kein Geld mehr überweisen. Zudem musste der Bauherr das Geld für die noch offenen Rechnungen als Kaution auf ein Konto einzahlen – eine Rücklage im Falle einer Busse.

Der EuGH musste diese Massnahmen beurteilen. Pärli: «Zwar könnte nach Meinung des EuGH die Regelung durch sogenannte Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden. Dazu gehört auch der Arbeitnehmerschutz oder der Kampf gegen Missbrauch.» Nach Ansicht des EuGH gehe aber die österreichische Regelung über das Erforderliche hinaus, um diese Ziele verwirklichen.

Mit anderen Worten: Die Massnahmen sind übertrieben und nicht im Sinne der Dienstleistungsfreiheit. Denn sie greifen bereits, wenn der blosse Verdacht besteht, dass ein Unternehmen die Vorschriften verletzen könnte. Zudem muss der Bauherr die Kaution auch dann bezahlen, wenn das slowenische Unternehmen die Arbeiten nicht zufriedenstellend ausgeführt hat.

EuGH könnte auch der Schweiz auf die Finger klopfen...

Zwar kann dieser Fall nicht 1 zu 1 auf die Schweiz übertragen werden, weil die Schweiz ein anderes System hat. Trotzdem stellt sich die Frage, ob der EuGH beim Abschluss eines Rahmenabkommens auch die schweizerischen flankierenden Massnahmen – zum Beispiel die 8 Tage-Regel – aushebeln könnte, weil er diese als übermässigen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit beurteilen könnte.

Die Gewerkschaften befürchten dies. Pärli kann sich durchaus vorstellen, dass der EuGH so urteilen könnte. «Ich möchte aber darauf hinweisen, dass die schweizerischen Behörden mit ihren jährlichen Evaluationen des Entsendegesetzes sehr klar aufzeigen, dass es diese 8-Tage-Regel zumindest vorderhand braucht.»

...doch die Schweiz hätte gute Karten

Deshalb kann sich Pärli auch gut vorstellen, dass der EuGH die flankierenden Massnahmen, insbesondere die 8-Tage-Regel, akzeptieren könnte: «Wenn er den Verhältnismässigkeitsgrundsatz seriös prüfen würde, müsste er zum Schluss kommen: Es ist zwar eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit. Sie ist aber gerechtfertigt, damit die schweizerischen Behörden die Kontrollen machen können.»

Das heisst: So lange die Schweiz beweisen kann, dass die 8-Tage-Regel erforderlich ist für den Lohnschutz, steigen die Chancen, dass auch die liberal eingestellten europäischen Richter diese als verhältnismässig beurteilen – sollte es jemals ein Rahmenabkommen geben.

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