- «Manchmal will niemand neben mir sitzen»
- «Man hat halt ins Täterprofil gepasst»
- «Von wo kommst du?»
- «Reisfresser, Schlitzauge»
- «Du schwarze Schlampe»
Das sind nur einige Beispiele von Erfahrungen, die nicht-weisse Menschen, also «People of Colour» immer wieder erleben. Sei das auf der Strasse, im Tram oder bei Freunden.
Yasmin Ahmedi ist 20 Jahre alt und studiert. Sie bemerkt, dass Menschen sie immer wieder anders behandeln. «Wenn ich im Bus sitze, wollen Leute nicht neben mir sitzen oder sie sitzen ein bisschen weg. Vielleicht haben sie Vorurteile», sagt Ahmedi. Vorurteile gegen sie und dem Fakt, dass sie ein Kopftuch trägt.
Vorurteile, welche die junge Frau belasten: «Ich fühle mich dann wie ein Aussenseiter, als würde ich nicht hierhin gehören. Aber ich kenne ja nur die Schweiz und ich bin hier geboren.»
Die Frage, von wo man komme, wird oft gestellt. Das löst bei Betroffenen das Gefühl aus, nicht dazu zugehören. Auch der 17-jährige Laurent Abogso Fouda hört diese Frage oft. «Wenn ich neue Leute kennenlerne, vor allem hier in der Schweiz, fragen sie immer: ‹Von wo kommst du?›»
Da nütze es auch nicht zu entgegnen, dass die Mutter aus der Schweiz stamme, weil dann gefragt wird: Von wo kommst du ursprünglich? Für den Zürcher ist das unverständlich: «Ich bin in der Schweiz geboren und lebe schon mein ganzes Leben hier. Nur weil ich eine andere Hautfarbe habe, fragen sie mich: Von wo kommst du ursprünglich?»
Der 26-jährige Mohamed Abdirahim wurde schon des Öfteren von der Polizei angehalten und kontrolliert. «Wahrscheinlich weil ich in das Täterprofil gepasst habe», mutmasst er. Auch bei der Wohnungssuche habe er wegen seinem Aussehen schon Probleme gehabt. «Ich habe kein WG-Zimmer bekommen, weil ich ‹nicht in die Nachbarschaft gepasst› habe .»
Neben der Hautfarbe reagieren Menschen auch auf Frisuren von «People of Colour». Melissa Belinga ist in Zürich aufgewachsen und erlebte als Kind immer wieder, dass ihr in die Haare gefasst wurde, als sie noch eine Afrofrisur trug.
«Ich bin doch kein Tier im Streichelzoo, das man einfach streicheln kann», dachte sie dann. Sie bekommt auch immer wieder eigenartige Komplimente wie beispielsweise: «Du bist mega hübsch für eine farbige Frau.» «Für solche Komplimente bedanke ich mich nicht», erklärt die junge Frau. Es sei für sie zwar nicht ganz so schlimm, aber trotzdem ein Stich ins Herz.
Neben fragwürdigen Komplimenten sind «People of Colour» auch immer wieder Ziel von rassistischen Beleidigungen. Brian Kundert aus Baden hat sich in seiner Schulzeit oft «Gelbhaut», «Reisfresser» oder «Schlitzauge» anhören müssen. Heute lasse er sich das nicht mehr gefallen. «Ich gebe zurück, aber schlussendlich gehen diese Beleidigungen im einem Ohr rein und im anderen Ohr wieder raus.»
Bei der 19-jährigen medizinischen Praxisassistentin Leyla Ahmedi ging es schon mal so weit, dass sie verbal und dann auch körperlich bedroht wurde. Im Hauptbahnhof Zürich ging ein älterer Mann auf sie zu und sagte: «Du schwarze Schlampe!». Als sie antwortete, dass er so nicht mit ihr reden könne, wurde er noch wütender und drohte ihr ins Gesicht zu schlagen. Ein Passant stellte sich schliesslich schützend vor sie.
«Ich bin dann zitternd in die Migros gelaufen und es tat mir mega leid, dass ich mich beim Passanten nicht bedanken konnte. Es war das erste Mal, dass sich jemand für mich aktiv so einsetzte», sagt Leyla Ahmedi.
Rassismus in der Schweiz: die Zahlen
Gemäss einer Studie des Bundesamtes für Statistik geben 28 Prozent der Schweizer Gesamtbevölkerung an, Rassismus bereits erlebt zu haben. Die Zahlen wurden im Auftrag der Fachstelle für Rassismusbekämpfung im Jahr 2018 erhoben.
24 Prozent der Befragten erlebten schon Diskriminierung, 11 Prozent rassistisch motivierte psychische Gewalt und 3 Prozent rassistisch motivierte körperliche Gewalt.
Weiter wurde in der Studie erhoben, wo Menschen am meisten diskriminierende Erfahrungen machen, nämlich im Arbeitsumfeld.
Das Beratungsnetz für Rassismusopfer ist ein Netzwerk von 22 kantonalen Stellen und bietet Hilfe bei rassistischer Diskriminierung an. Die Experten des Netzes haben letztes Jahr 352 Fälle begleitet und daraus die Feindbilder nachvollzogen, die zur rassistischen Diskriminierung geführt haben.
In 145 Fällen war Ausländerfeindlichkeit das Motiv, bei 132 Fällen Rassismus gegen Schwarze und 55 Mal gegen Muslime.
Diese Zahlen sind für Marianne Helfer, stellvertretende Leiterin der Fachstelle für Rassismusbekämpfung, nicht überraschend. Sie sagt: «In der Schweiz kann Rassismus häufig an der Trennlinie festgemacht werden, zwischen denen, die dazugehören, die Einheimischen, und denen, die angeblich nicht dazugehören, die fremd gemacht werden.»
Helfer diagnostiziert: «Wenn so viele Menschen von Rassismus berichten, dann haben wir ein gesellschaftliches Problem.» Dieser Meinung ist auch eine Mehrheit der Bevölkerung, nämlich 59 Prozent.