Die SBB plant für dieses Jahr an mehreren Bahnhöfen Pilotprojekte mit komplett rauchfreien Bahnhöfen und solchen mit erweiterten rauchfreien Zonen – auch auf Perrons unter freiem Himmel. Raucher fühlen sich zurückgedrängt. «Nach dem Verbot in den Restaurants will man uns nun auch noch das Rauchen im Freien verbieten», sagt ein Raucher am Bahnhof Zürich-Stadelhofen, einem der geplanten Testbahnhöfe.
«Höchste Zeit, dass wir wieder durchatmen können», freut sich hingegen eine Nichtraucherin nebenan. Viele Raucher befürchten, dass weitere Verbote folgen. Und tatsächlich: Die Tessiner CVP-Grossrätin Nadia Ghisolfi fordert in mehreren Vorstössen Verbote und Einschränkungen, unter anderem fürs Rauchen auf Restaurantterrassen und vor öffentlichen Gebäuden. Sie setzt damit den Trend.
Niemand will Brandlöcher im Mantel.
Raucher fühlen sich diskriminiert
«Es geht um die Sicherheit bei grossen Menschenmengen. Niemand will Brandlöcher im Mantel», sagt SBB-Sprecher Olivier Dischoe zu den geplanten Versuchen der SBB. Eine weitere Rolle spielten die Kosten bei der Gleisreinigung, weil Zigarettenstummel auf die Gleise geworfen würden.
Raucher befürchten, dass schon bald sämtliche Bahnhöfe rauchfrei werden könnten. Die SBB will sich dazu jedoch nicht äussern. Denn Widerstand ist programmiert: Ein Viertel aller Schweizer ab 15 Jahren rauchen gelegentlich oder regelmässig. Für sie wehrt sich Babette Sigg, Präsidentin des Konsumentenforums. Rauchverbote im Freien seien überflüssig und eine Stigmatisierung. «Wir leben in einer freien Gesellschaft. Ich finde es falsch, dass man das Rauchen immer mehr einschränkt», sagt die bekennende Nichtraucherin.
Vorstösse für Rauchverbote
Die Tessiner CVP-Grossrätin Nadia Ghisolfi sieht das anders. Sie hat vier Vorstösse eingereicht, die das Rauchen im öffentlichen Raum verbieten oder einschränken sollen: auf Restaurantterrassen, auf Spielplätzen, bei Zugstationen und Bushaltestellen und bei Eingängen von öffentlichen Gebäuden. «Heute sind es die Nichtraucher, die diskriminiert werden», sagt die Gesundheitspolitikerin.
«Sie müssen zur Seite gehen oder die Hand vor das Gesicht halten, um den Zigarettenrauch anderer nicht einzuatmen.» Im Gegensatz zu Frankreich oder Italien sind rauchfreie Spielplätze in der Schweiz noch eine Rarität. Doch auch hier kommt Bewegung in die Sache: In Reinach AG ist 2017 ein «suchtmittelfreier» Spielplatz eröffnet worden.
Nichtraucher müssen sich die Hand vors Gesicht halten.
Werte wie in Peking
Wie stark die Belastung beim Passivrauchen ist, lässt eine Messung am Bahnhof Basel SBB erahnen, einem weiteren Bahnhof im geplanten Pilotprojekt der SBB. Martin Röösli, Professor für Umweltepidemiologie am Schweizerischen Tropen- und Public Health Institut in Basel, hat an einem Stichtag an mehreren Standorten Feinstoffpartikel gemessen. Gemäss seiner Einschätzung stammen diese vom Zigarettenrauch.
Sein Fazit: «Sowohl beim Perron wie auch im überdachten Bereich haben wir gesundheitlich bedenkliche Werte gemessen. Im überdachten Bereich waren die Werte so hoch wie wir es sonst aus chinesischen Grossstädten wie Peking kennen.» Allerdings: Es sei nur eine Momentaufnahme. Eine langfristig fundierte Studie wurde nicht durchgeführt.
Raucherverbote unter freiem Himmel und in Bahnhöfen: Etliche europäische Länder kennen das bereits, Bahnhöfe in Deutschland sind rauchfrei. Die Debatte um die Ausweitung der rauchfreien Zonen im öffentlichen Raum ist nun auch in der Schweiz lanciert.