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Darf man Videos vom «Corona-Singen» veröffentlichen?
Aus Espresso vom 16.04.2020. Bild: imago images
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Rechtlich heikel Darf man Videos vom «Corona-Singen» veröffentlichen?

Im Internet kursieren viele Videos von Menschen, die auf den Balkonen gemeinsam singen. Rechtlich eine Gratwanderung.

Menschen, die auf ihren Balkonen stehen und gemeinsam musizieren und singen. Als Zeichen der Solidarität und gegen die Vereinsamung in der Corona-Krise. Solche Videos in den Sozialen Medien rühren manch einen zu Tränen.

Nur: Ist es überhaupt erlaubt solche Aufnahmen zu veröffentlichen, ohne die Einwilligung der gefilmten Menschen? Darüber hat «Espresso» mit Martin Steiger geredet. Er ist Rechtsanwalt und Spezialist für Recht im digitalen Raum.

Martin Steiger

Jurist

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Martin Steiger ist Rechtsanwalt und Sprecher der «Digitalen Gesellschaft». Der Verein setzt sich für Bürger- und Konsumentenschutz im digitalen Zeitalter ein.

SRF: Herr Steiger, darf ich Aufnahmen vom «Corona-Singen» ins Internet stellen ohne die Einwilligung der Gefilmten?

Martin Steiger: Einfach so darf man diese Filme eigentlich nicht teilen. Das ist aber ziemlich theoretisch. In der Praxis muss man nicht mit Problemen rechnen. Die Gefilmten könnten zwar verlangen, das Video wieder zu löschen, weil der Persönlichkeitsschutz betroffen ist – also das Recht am eigenen Bild, das Recht an der eigenen Stimme. Es ist aber vergleichsweise aufwendig, sich in so einem Fall zu wehren. Es sei denn, man hat einen Ansprechpartner und kann diesen bitten, die Aufnahme wieder zu löschen.

Ist das denn nicht vergleichbar mit einer Aufnahme im öffentlichen Raum und daher sowieso unrealistisch zu erwarten, dass jeder sein Einverständnis gibt, bevor das Video auf Facebook oder Whatsapp publiziert wird?

Es wäre zumindest sehr anstrengend, diese Einwilligung einzuholen. Die Frage ist: Was ist die Erwartungshaltung? Gibt es vielleicht sogar eine Einwilligung derer, die mitmachen? Gerade bei einem sympathischen Video stören sich wohl die wenigsten an einer Veröffentlichung.

Kommt es darauf an, ob ich einen Nachbarn in Nahaufnahme zeige oder nur aus der Ferne?

Früher hat man noch unterschieden, ob jemand ins Visier genommen wurde oder nur «Beiwerk» war. Man muss aber bedenken, dass man in einem digitalisierten Video auch nachträglich heranzoomen kann. Deshalb sagt das Bundesgericht schon lange, dass es darauf eigentlich nicht mehr ankommt.

In Sozialen Medien oder auf Videoplattformen kann ich teilweise einstellen, wer meine Videos sehen kann: Wenn jemand ein Video nur beschränkt freigibt, darf ich es dann teilen?

Wenn man sieht, dass man zum Beispiel ein Youtube-Video nur abrufen kann, wenn man die Internetadresse kennt, dann sollte man diesen Wunsch respektieren. Derjenige, der es veröffentlicht hat, kann aber nicht darauf zählen. Das Internet ist öffentlich zugänglich und die Adresse kann weitergegeben werden. Das reicht also nicht, wenn man ein Video wirklich schützen möchte.

Wenn sich jemand nun extrem daran stört, dass ich ihn beim Singen gefilmt und dies veröffentlicht habe: Was könnte passieren?

Dann müsste er den Rechtsweg beschreiten, klagen unter Verweis auf den Persönlichkeits- und Datenschutz. Zunächst vor dem Friedensrichter, später allenfalls vor Gericht. Im Normalfall einigt man sich in der Schweiz in solchen Fällen aber, weil es sich überhaupt nicht lohnt, dafür viel Geld auszugeben. Den Autoren fällt meist kein Zacken aus der Krone, wenn sie solche Videos wieder löschen.

Das Interview führte Oliver Fueter.

Die wichtigsten Informationen zum Coronavirus:

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Espresso, 16.04.2020, 08:13 Uhr

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