Im Oktober 2020 flüchtete ein junger Mann aus dem Massnahmenzentrum Uitikon bei Zürich. Er war dort untergebracht, weil die Behörden befürchteten, er habe einen Terroranschlag auf eine Moschee verüben wollen. Miran S. (Name geändert) hatte in Whatsapp-Gruppen genau damit gedroht. Im Wald experimentierte er mit Sprengstoff. Zuhause bastelte er an Waffen.
Sicherheitsbehörden sahen in ihm den ersten Rechtsterroristen der Schweiz. Er beschäftigte das US-amerikanische FBI und den Schweizer Nachrichtendienst.
Er stellt eine Bedingung für seine Rückkehr in Haft
Noch vor einer Anklage flüchtete Miran S. nach Kroatien, wo ihn «SRF Investigativ» kürzlich interviewte. Er gibt viele Straftaten zu – wehrt sich aber vehement gegen den Vorwurf, einen Terroranschlag geplant zu haben. S. sagt, er habe sich nur im Internet wichtig machen und seinen Chatpartner beeindrucken wollen: «Ich wäre nie dazu fähig gewesen, einen Anschlag zu verüben.» Heute sei er nicht mehr rechtsextrem.
Miran S. lebt in Kroatien auf freiem Fuss. Als Doppelbürger wird er nicht ausgeliefert. Die Schweizer Behörden haben keinen Zugriff mehr auf ihn. Dennoch hat der 20-Jährige kürzlich angeboten, sich der Schweizer Justiz zu stellen. Aber unter der Bedingung, dass er nicht in dem Massnahmenzentrum untergebracht wird, aus dem er geflohen ist. Mit einer anderen geschlossenen Massnahme wäre er einverstanden.
Miran S. bleibt in Freiheit
Den Vorschlag machte S. auch per E-Mail an den zuständigen Jugendanwalt. Dieser lehnte ab: «Sollten Sie [sich] dazu entscheiden, wieder in die Schweiz einzureisen (...) werden Sie sofort in Sicherheitshaft versetzt.(...) Erste Adresse (...) ist nach wie vor das MZU (Massnahmenzentrum Uitikon, Anm. d. Red.) – es gibt im geschlossenen Rahmen praktisch keine Alternative in der Deutschschweiz.»
Das Resultat: Miran S. bleibt weiter frei, statt in der Schweiz eine Massnahme zu absolvieren. Trotz internationalem Haftbefehl wirkt sein Leben in Kroatien relativ normal – er arbeitet dort auf dem Bau. Die Schweiz sandte vor einiger Zeit ein Gesuch nach Kroatien, dass Miran S. dort der Prozess gemacht werden soll. Darauf verweisen auch der zuständige Jugendanwalt und das Bundesamt für Justiz. Ob Kroatien das will ist, ist unklar. Passiert ist bisher nichts.
In Frage steht, wie gross das Interesse der Strafverfolger überhaupt ist, S. in der Schweiz vor Gericht zu bringen. Aussagen des fallführenden Jugendanwalts, Michael Friedli aus dem Kanton Appenzell Ausserrhoden, wecken Zweifel. Gemäss der Abschrift eines Telefongesprächs sagte Jugendanwalt Friedli zum flüchtigen Miran S.: «Sie müssen sich das selber gut überlegen – wenn Sie aus Kroatien rausgehen; wenn Sie dort verhaftet werden, dann werden wir die Auslieferung beantragen.»
SRF konnte verifizieren, dass das Gespräch so stattgefunden hat. Diese Aussagen fielen, nachdem Friedli Miran S. in eine geschlossene Massnahme eingewiesen hatte mit der Begründung, er sei gefährlich, und nachdem er ihn international zur Verhaftung ausgeschrieben hatte. Jugendanwalt Friedli wurde kürzlich zum leitenden Staatsanwalt ernannt – er wird oberster Strafverfolger im Kanton.
Wollte Friedli Miran S. mit dieser Aussage abraten, sich der Schweizer Justiz zu stellen? Auf Anfrage will Friedli nichts sagen: «Im Übrigen kann ich Ihnen aufgrund des nicht öffentlichen schweizerischen Jugendstrafverfahrens keine weiteren Auskünfte erteilen.»
Weitere Schweizer Behörden sind inaktiv in dem Fall. Das Bundesamt für Polizei schreibt: «Das Verfahren liegt in der Kompetenz der kantonalen Behörden. Fedpol hat in diesem Fall aktuell keine Rolle.»
Die ganze Geschichte sehen Sie im Youtube-Video von SRF Investigativ .