Es hat Seltenheitswert: Eine private Organisation ohne politische Parteien im Rücken ergreift ein Referendum. Genau das passiert im Kanton Appenzell Ausserrhoden. Denn die Öl- und Gaslobby lehnt sich gegen das geplante Energiegesetz auf. In der Politik geniesst das Geschäft grossen Rückhalt.
Deutliches Ja im Kantonsrat
Aus erneuerbaren Energien und lokal produziert, soll der Ausserrhoder Strombedarf bis 2035 zu 40 Prozent gedeckt sein. Elektroheizungen sollen innert 15 Jahren ersetzt werden. Beim Ersatz für fossil betriebene Heizungen soll der Anteil erneuerbarer Energien 20 Prozent betragen.
So steht es im geplanten Energiegesetz des Kantons. Ende März gab es bei der zweiten Lesung im Kantonsrat bloss zwei Gegenstimmen bei 59 Ja-Stimmen und einer Enthaltung. Sämtliche Fraktionen waren dafür. Auch die SVP, die sich nach wie vor kritisch zeigt, sowie der Hauseigentümerverband gaben kurz danach bekannt, auf ein Referendum verzichten zu wollen.
Doch nun kommt wohl doch ein Referendum zustande. 300 Unterschriften oder ein Drittel des Kantonsrats braucht es dafür. «Wir haben etwa 480 Unterschriften zusammen», sagt Jürg Rufer, der Chef einer Ölfirma in Gossau SG und Präsident von Swissoil Ost, dem Regionalverband der Brennstoffhändler.
Es geht auch um Eigeninteressen
Üblicherweise kommt ein Referendum gegen ein Gesetz von Parteien, Fraktionen oder einem Initiativkomitee aus dem betroffenen Kanton. In diesem Fall zeichnet sich die Öl- und Gaslobby verantwortlich. Es sei deshalb auch beschwerlich gewesen, die 300 Adressen zu sammeln, weil man nicht im betroffenen Gebiet wohne, sagt Rufer. Er und andere Ostschweizer Ölfirmen weibelten bei Ausserrhoder Kundinnen und Kunden für das Referendum.
Rufer streitet indes nicht ab, dass es ihm als Ölhändler auch um Eigeninteressen geht. Das Gesetz gehe schlicht viel zu weit: «Jetzt alles auf Strom zu setzen, finde ich komplett falsch», sagt der Unternehmer.
«Angesichts der geopolitischen Lage speziell»
Matthias Tischhauser, FDP-Kantonsrat und Präsident der zuständigen Kommission Bau und Volkswirtschaft, ist überrascht über die Umstände: «Ich kann mich nicht erinnern, dass jemals alle Parteien geschlossen hinter einem Geschäft standen und dann quasi eine private Organisation das Referendum ergreift.» Das ginge ja noch. Wahlkampf hingegen ohne politische Organisation im Rücken sei sehr schwierig, so Tischhauser.
Warum also ergreift denn die Öl-Lobby nun das Referendum? Tischhauser vermutet: «Das ist reine Verzögerungstaktik, um nochmals möglichst viel Gas und Öl verkaufen zu können. Auch angesichts der geopolitischen Lage finde ich das speziell. Ich bin gespannt, was das Stimmvolk dazu sagt.»
Referendum kommt wohl an die Urne
Ölhändler Rufer wehrt sich gegen den Vorwurf der Verzögerungstaktik. «Viele Eigentümer sind sehr besorgt, Senioren in älteren Häusern vor allem. Die können wir ganz sicher nicht dazu verdonnern, 30'000 Franken in ein neues Energiesystem zu investieren», sagt Rufer. Er betont, dass man trotz grosser Mehrheit im Kantonsparlament nicht auf verlorenem Posten stehe.
Wir können Leute ganz sicher nicht dazu verdonnern, 30'000 Franken in ein neues Energiesystem zu investieren.
Das Referendum steht noch nicht ganz. Erst müssen die Unterschriften auf ihre Gültigkeit überprüft werden. Zudem muss die Regierung das Zustandekommen des Referendums bestätigen. Wegen der 480 Unterschriften – bei geforderten 300 – kommt die Debatte aber ziemlich sicher vors Volk.