Seit Samstagmittag fällt in Teilen des Tessins fast ununterbrochen Regen. Noch bis am Montagabend fällt weiterer Starkregen. SRF-Meteorologe Felix Blumer erklärt die Situation.
Wo ist es derzeit am schlimmsten mit dem Regen?
Seit Samstag liegt über dem Mittelmeer ein Tiefdrucksystem mit mehreren Teilzentren. Mit einer allgemein südlichen Höhenströmung wird seither viel Feuchte gegen die südlichen Alpen geführt. Im Moment verlagert sich das Problem aber ins Bündnerland. In Domat-Ems herrscht nach wie vor die Gefahrenstufe 3.
Wie haben sich die Unwetter entwickelt?
Die Unwetter im Tessin nahmen am Freitagabend ihren Anfang als eine gewaltige Hagelzelle, die vom Valle Vigezzo über das Centovalli Richtung Maggiatal, Leventina und schliesslich ins Lumnez zog. Nebst teilweise daumengrossen Hagelkörnern gab es auch heftige Sturmböen. In Locarno wurde ein Spitzenwert von 88 Kilometern pro Stunde gemessen. Nach einer Wetterberuhigung am Samstagvormittag setzte am frühen Nachmittag heftiger Dauerregen ein, der im Tessin teilweise noch durch Gewitter verstärkt wurde. Vom Centovalli über das Locarnese, die Riviera, das Misox bis in das Hinterrheingebiet bildete sich eine Niederschlagslinie. Wie an einer Perlschnur folgten sich auf dieser Linie die Gewitter in rascher Folge. Bis am frühen Montagmorgen fielen in Biasca mehr als 300 Millimeter Regen. Mehr als 200 Millimeter fielen in dieser Zeit auch auf der Cimetta, ob Locarno, in der Magadinoebene und in San Bernardino im bündnerischen Misox.
Blieb es beim Tessin?
Weil die Niederschläge weiter nach Nordosten übergriffen, fielen auch in den angrenzenden Gebieten Graubündens grosse Regenmengen. Rund 150 Millimeter gingen in Teilen der Surselva, im Lumnez, im Val Schons und im Oberhalbstein nieder. Da sich der Regen über weite Teile des Kantons Graubünden verteilte, stieg der Rheinpegel stark an. Bei Domat-Ems lag er am frühen Montagmorgen im Bereich der Warnstufe 3, also erhebliche Gefahr. Im Rheinabschnitt vor der Mündung in den Bodensee wurde das Rheinvorland teilweise überschwemmt.
Wieso war es so viel Wasser?
Da die Schneefallgrenze am Wochenende meist bei 3000 Metern oder höher lag, kam praktisch der ganze Niederschlag zum Abfluss. Solche Wetterlagen sind gerade im Spätsommer und im Frühherbst sehr gefährlich. Vergleichbar war die Situation bei den schweren Unwettern im Wallis im September 1993.
Wie entwickelt sich das Wetter heute?
Auch heute Montag regnet es kräftig weiter. Betroffen sind nun auch weite Gebiete auf der Alpennordseite, wobei die Niederschlagsintensität nicht eins zu eins mit dem Starkregen im Süden vergleichbar ist. Inneralpin verschiebt sich das Schwergewicht des Regens mindestens vorübergehend von Graubünden Richtung Wallis und ins Berner Oberland. Glücklicherweise erreicht uns in den nächsten Stunden etwas kühlere Luft. Mit der sinkenden Schneefallgrenze, in einen Bereich zwischen 2000 und 2500 Meter, kommt nicht mehr der ganze Niederschlag zum Abfluss. Allein im westlichen Tessin, im südlichen Wallis und im Goms werden nochmals rund 80 Millimeter Niederschlag erwartet. Lokal sind sogar 120 Millimeter nicht ganz ausgeschlossen. Im übrigen Tessin, in Graubünden und an den nördlichen Alpenrändern fallen 30 bis 70 Millimeter Regen, im Mittelland um 30 Millimeter und am Genfersee und in der Nordwestschweiz unter 10 Millimeter.
Ist das Ende abzusehen?
Im Laufe des Montags stellt sich im Tessin Nordföhn ein. Der Regen wird allerdings erst am Abend zu Ende gehen. Im Norden regnet es auch am Dienstag noch weiter, allerdings bei deutlich geringerer Intensität. Es werden 0 bis 20 Millimeter erwartet.