Die Stadt Zürich will arme Ausländerinnen und Ausländer, die durch die Maschen des Sozialsystems fallen, weiter finanziell unterstützen. Die Stadtregierung hat Rekurs eingelegt gegen eine Anordnung des Zürcher Bezirksrats, wonach diese «zusätzliche Sozialhilfe» einzustellen sei. Weil dadurch der Entscheid des Bezirksrats noch nicht rechtskräftig ist, können die Zahlungen an Sans-Papiers und andere Armutsbetroffene weiter erfolgen.
Hintergrund des juristischen Schlagabtauschs ist ein Zürcher Pilotprojekt. Die Stadt will mit insgesamt zwei Millionen Franken arme Ausländerinnen und Ausländer unterstützen, die kein Anrecht auf Sozialhilfe haben. Diese leiden stark unter der Pandemie und sollen deshalb mit der sogenannten «wirtschaftlichen Basishilfe» unterstützt werden. Verteilt wird das Geld über mehrere Hilfswerke.
Gegen dieses Projekt gewehrt hatte sich die FDP. Sie ist der Meinung, dass diese Finanzhilfe gegen das Ausländerrecht verstösst und hatte beim Bezirksrat eine Aufsichtsbeschwerde eingereicht. Aufgrund dieser Beschwerde hatte der Bezirksrat die Stadt vor rund zehn Tagen angewiesen, für die Dauer des Verfahrens keine weiteren Zahlungen mehr zu tätigen.
In der aktuellen Lage ist die wirtschaftliche Basishilfe eine unverzichtbare Unterstützung.
Nun gelangt die Stadtregierung mit ihrem Rekurs gegen diese Anordnung an die Zürcher Kantonsregierung. Diese muss jetzt über den Zwischenentscheid des Bezirksrats urteilen. Bis dahin werde die Stadt die wirtschaftliche Basishilfe fortführen, heisst es in einer Mitteilung. Denn diese Hilfe verstosse nicht gegen übergeordnetes Recht und sei in der aktuellen Lage unverzichtbar.
In Zürich sind viele Leute auf Unterstützung angewiesen
Dass die Pandemie ärmere Menschen in der Stadt Zürich nach wie vor hart trifft, zeigt sich exemplarisch an der Zürcher Europa-Allee gleich hinter dem Hauptbahnhof. Hier bilden sich jeden Abend lange Menschenschlangen, seit der Zürcher Verein Incontro im März 2020 damit begonnen hat, gratis Lebensmittel oder Hygieneartikel zu verteilen.
Finanziert wird der Verein durch private Spenden, auch die Kirchen oder der Rotary Club leisten finanzielle Unterstützung. Teil des Sans-Papiers-Projekts ist Incontro nicht, der Verein bezieht kein Geld von der Stadt.
Aktuell bräuchten wieder mehr Menschen in Zürich Unterstützung, sagt Vereinsgründerin Ariane, eine Zürcher Nonne und Gassenarbeiterin. Sie und ihr Team – ein Pool aus bis zu 500 Freiwilligen – hätten im Sommer etwas weniger Menschen unterstützen müssen. Dies ändere sich nun: «Wir haben immer 250 Mahlzeiten verteilt, und jetzt nimmt es wieder zu.» Und eine Konstante bleibe, sagt Schwester Ariane weiter: «Es stehen immer noch die Menschen hier, die durch alle Maschen fallen.»
Es kämen Frauen und Männer aus dem Milieu, Wanderarbeiter, Obdachlose, Suchtkranke, alte Menschen in Altersarmut, Familien oder Alleinerziehende, die wegen Corona ihre Arbeit verloren und seither nichts mehr gefunden hätten. Längst nicht alle könnten Sozialhilfe beantragen. Um dies zu ändern, brauche es die Bereitschaft, die Not zu sehen, sagt Schweser Ariane: «Es braucht eine Sensibilität für die Menschen, die an den Rand geraten.»
Es braucht die Bereitschaft, sich mit Menschen in Not auseinanderzusetzen.
Und: Es brauche eine gezielte, finanzielle Unterstützung, findet die Stadt Zürich – eben mit der wirtschaftlichen Basishilfe. Deshalb soll das Projekt weitergeführt werden. Gemäss Angaben der Stadt sind bis Ende Oktober 49 Erwachsene und 24 Kinder mit rund 90'000 Franken unterstützt worden – bei der Hälfte von ihnen handelt es sich um Sans-Papiers.