Martin Kuonen, Berner Direktor der Westschweizer Arbeitgeberorganisation Centre Patronal, spricht von einem Paradigmenwechsel. Er will ein flexibles Rentenalter. Die Pensionierung wäre nach 40 bis 48 Beitragsjahren möglich. Entscheidend wäre jedoch nicht das Alter, sondern die eingezahlten Jahre.
Das sei fairer, sagt Kuonen und betont: «Das ist keine versteckte Erhöhung des Rentenalters. Wir gehen auf einen individuellen Ansatz: Wer früher ins Erwerbsleben einsteigt, kann auch früher in Rente gehen.»
Das ist fairer und keine versteckte Erhöhung des Rentenalters.
So soll beispielsweise ein Maurer, der mit 18 Jahren zu arbeiten begonnen hat, mit 62 Jahren bei voller Rente in Pension gehen können. Wer länger in Ausbildung ist, also beispielsweise noch studiert, muss laut dem Modell von Centre Patronal dann entsprechend länger arbeiten.
Oder privat vorsorgen: «Wir machen Vorschläge für das Obligatorium von AHV und BVG. Für das Überobligatorische mit den vielen Leuten, die später in den Arbeitsprozess eintreten, machen wir überhaupt keine Vorschläge.»
SGB: Hauptproblem wird nicht gelöst
Aus gewerkschaftlicher Sicht bringe der vorliegende Vorschlag keine Vorteile, sagt Gabriela Medici, Verantwortliche für Sozialversicherungen beim Gewerkschaftsbund SGB: «Solche Modelle wurden in den letzten 20 Jahren immer wieder diskutiert – und verworfen. Für die Gewerkschaften sind sie nicht akzeptabel. Denn sie führen zu einem real höheren Rentenalter, verhindern soziale Frühpensionierungen und sind für Frauen sowie Migrantinnen und Migranten häufig mit grossen Verschlechterungen verbunden.»
Das führt zu einem real höheren Rentenalter, verhindert soziale Frühpensionierungen und ist häufig nachteilig für Frauen.
Zudem löse es nicht das Hauptproblem, dass die obligatorische Rente nicht reiche, um davon zu leben, sagt Medici: Und es sei im Moment der falsche Zeitpunkt, um darüber zu diskutieren, wenn nun im eidgenössischen Parlament die AHV-21-Reform besprochen werde.
Umfrage zeigt Sympathien für Lebensarbeitszeit
Das sagt auch der Arbeitgeberverband. Dort befürwortet man grundsätzlich aber eine Flexibilisierung des Rentenalters. Der vorliegende Vorschlag soll zum gegebenen Zeitpunkt im Detail geprüft werden. Centre Patronal sagt auch, dass dieser Vorschlag nach AHV-21 diskutiert werden soll – und rechnet sich gute Chancen aus.
In einer repräsentativen Umfrage der Forschungsstelle Sotomo konnten sich 61 Prozent der Befragten ein Lebensarbeitszeitmodell vorstellen, wie Politologe Michael Hermann sagt: «Es ist viel populärer als etwa eine generelle Erhöhung des Rentenalters. Das hat damit zu tun, dass eher Leute, die keine tertiäre Bildung haben und in der Mehrheit sind, das positiv finden. Sie halten es für gerecht, dass Leute mit einer längeren Ausbildung auch etwas länger arbeiten sollen.
Es ist viel populärer als etwa eine generelle Erhöhung des Rentenalters.
Ob das Modell von Centre Patronal wirklich mehrheitsfähig ist, wird sich in der politischen Diskussion zeigen. Die dreht sich zuerst aber einmal um die AHV-Reform 21.