Gabriela Wilczek spricht am Telefon der Ehefrau des knapp Vierzigjährigen, der bei ihr auf der Intensivstation liegt, gerade Mut zu, als die Geräte Alarm schlagen. Wilczek ist Expertin für Intensivpflege in der Hirslanden Klinik in Aarau. «Entschuldigen Sie», sagt sie mit ruhiger Stimme. «Ich muss mich um Ihren Mann kümmern.»
Sprunghafter Anstieg
Eine der vielen schwierigen Situationen, die die «Rundschau» an zwei Tagen auf den Intensivstationen zweier Spitäler dokumentieren konnte. Der Patient hat sich wie fast alle anderen Covid-Patienten auf der Aarauer Intensivstation in Südosteuropa angesteckt.
Ihm geht es im Vergleich zu anderen schweren Covid-Fällen relativ gut. Er liegt nicht im Koma, wird aber durch einen Schlauch per Luftröhrenschnitt mit Sauerstoff versorgt. Das Personal in den Intensivpflegestationen (IPS) ist wieder gefordert und an der Belastungsgrenze, seit die Spitaleinweisungen nach den Sommerferien sprunghaft anstiegen.
Pandemie der Ungeimpften
Auch Geimpfte können krank werden. Aber sie haben in der Regel einen milderen Verlauf. Schwer krank werden meist die Ungeimpften. Das bestätigt auch Intensivmediziner Michael Glas vom Inselspital Bern: «Keiner der Patienten hier mit Covid ist geimpft.»
Das neue Gesicht der vierten Welle zeigt sich auch am Inselspital. Mit der Delta-Variante ist das Durchschnittsalter der Patientinnen und Patienten gesunken. Es sind nicht mehr die über 70-jährigen, sondern oft die 40- bis 60-jährigen. Fast alles Patienten, die sich gegen die Impfung entschieden haben und nun ums Überleben kämpfen.
Die Impfung ist ein persönlicher Entscheid – und viele Menschen sind grundsätzlich dagegen. Etwa aus Angst vor den Nebenwirkungen oder weil sie das Virus nicht für gefährlich halten. Stephan Jakob, Chefarzt Intensivmedizin am Inselspital Bern, hält dagegen: «Es ist schlimm für die Patienten, die hier sind. Viele der Patienten sterben oder sind lange auf der Intensivstation. Manche haben länger andauernde Probleme mit Long Covid. Zudem ist diese Anzahl Corona-Patienten eine sehr grosse Belastung für die Spitäler.»
Längere Aufenthaltsdauer
Corona-Patienten bleiben länger auf der Intensivstation und brauchen mehr Personal. Mehr Corona-Fälle geht auf Kosten anderer Patienten. Bereits müssen wieder geplante Operationen verschoben werden. Das erinnert an die Warnrufe aus früheren Wellen.
Wird zu früh Alarm geschlagen? «Wenn das so weitergeht, kommt es wieder zu heiklen Situationen», sagt der Direktor der Hirslanden Klinik Aarau, Markus Meier. «Zum Beispiel, wenn ein Herzpatient kommt und Kapazitäten braucht, die wir nicht verfügbar haben.»