- Antibiotika schützen weltweit immer weniger vor gefährlichen Infektionen, die Zahl der Resistenzen nimmt zu, alleine in der EU sterben jedes Jahr gemäss Schätzungen 25'000 Personen.
- Auch in der Schweiz sterben deswegen jedes Jahr Menschen und Tiere, die genaue Zahl ist unklar.
- Die Landwirtschaft ist mitverantwortlich für die antibiotikaresistenten Keime.
- Der Verbrauch von Antibiotika geht zwar zurück, doch Experten fordern eine antibiotika-freie Landwirtschaft.
Die Euter der Kühe von Hans Braun sind seit zwölf Jahren nicht mehr mit Antibiotika behandelt worden. «Die letzte Euterbehandlung hatten wir im August 2005. Seither sind wir in der Milchproduktion ohne Antibiotika ausgekommen.», erzählt der Biobauer beim Besuch auf seinem Hof im aargauischen Rothrist. Eine Ausnahme, denn auf den meisten Schweizer Betrieben muss wegen infizierten Eutern Antibiotika eingesetzt werden. Das bleibt jedoch nicht ohne Folgen.
Die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen stellt derzeit die grösste Bedrohung für die Gesundheit der Bevölkerung dar.
Fachleute schlagen seit Jahren Alarm wegen Keimen, gegen die keine Antibiotika mehr weiterhilfen. In den vergangenen neun Jahren konnte der Einsatz von Antibiotika für Tiere in der Schweiz fast halbiert werden. Doch diese Reduktion geht Experten zu wenig weit. Für den Mikrobiologen und Präsidenten der eidgenössischen Kommission für biologische Sicherheit, Reinhard Zbinden, sollte für die Landwirtschaft und die Humanmedizin dasselbe gelten: «Im Bedarfsfall muss Antibiotika gezielt eingesetzt werden, aber Einsätze von Antibiotika müssen massiv reduziert werden.»
Gesunde Kinderstube gegen Antibiotika
Damit der Einsatz von Antibiotika gar nicht erst nötig wird, setzt Hans Braun auf eine weniger intensive Produktion: «Unsere Kälber sind viel weniger anfällig für Krankheiten, weil sie auf dem Betrieb bleiben, bis sie vier oder fünf Monate alt sind, denn so können sie ihr Immunsystem aufbauen.» Damit ist der Biobauer eine Ausnahme, denn in der Regel kommen Schweizer Kälber drei Wochen nach der Geburt auf einen anderen Hof in die Kälbermast. Zu einer Zeit, in der ihr eigenes Immunsystem noch nicht vollständig entwickelt ist. Die Gefahr, dass sich Infektionen unter vielen Kälber unterschiedlicher Betriebe ausbreiten, steigt.
Auch der Präsident der Schweizer Tierärzte, Christoph Kiefer, sieht bei der Haltung von Tieren Handlungsbedarf. Er setzt jedoch bei der Diagnose an: «Wir brauchen einfach eine möglichst gute Diagnose, in vielen Fällen sind Antibiotika gar nicht nötig. Wenn es nur eine Entzündung oder ein viraler Infekt ist.»
(Un)realistische Zukunftsvision
Als Rezept gegen Antibiotika setzt Hans Braun schon vor der Geburt der Kälber an. Die Gesundheit von Stier und Mutterkuh sei entscheidend, ist der Landwirt überzeugt: «Wir schauen bei unseren Zuchtstieren, dass ihre Mütter gesundheitlich nie Probleme hatten. Damit machen wir sehr gute Erfahrungen.» Er musste in den vergangenen Jahren nur in wenigen Ausnahmefällen Antibiotika einsetzen.
Die Experten der Kommission für biologische Sicherheit gehen noch einen Schritt weiter und fordern als langfristiges Ziel eine Landwirtschaft ohne Antibiotika: «Die landwirtschaftliche Produktion, insbesondere die Tiermast, sollte ohne Antibiotika ablaufen,» ist Mikrobiologe Zbinden überzeugt.
Dieses Ziel ist aus Sicht von Bauer Braun jedoch nicht realistisch: «Bei Operationen, oder schweren Lungenentzündungen bei Kälbern wird es auch in Zukunft nötig sein, dass wir den Kälbern Antibiotika spritzen.» Zurzeit sind es erst rund 50 Betriebe, die ähnliche Strategien wie Hans Braun verfolgen.