Bei Bauern ist sie gefürchtet: die Mastitis, eine Entzündung der Milchdrüsen bei der Kuh. Die Milch betroffener Kühe muss weggeschüttet werden.
Schuld an einer Euterentzündung können verschiedene Erreger sein. Für eine genaue Bestimmung der Keime – und eine optimale Behandlung der Kuh – kann der Bauer eine Milchprobe ans Labor schicken.
Eigentlich harmlos, aber indirekt gefährlich
In so einer Rohmilch-Probe haben Veterinärbakteriologen der Universität Bern kürzlich ein Bakterium entdeckt, das gegen wichtige Antibiotika der neusten Generation resistent ist. Das Bakterium Macrococcus caseolyticus kommt auf der Haut von Kühen vor und ist für Tier wie Mensch grundsätzlich harmlos. Beim Melken kann es in die Milch gelangen.
Macrococcen und Staphylococcen sind nahe verwandt und besiedeln auch ähnliche Lebensräume. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass so ein Resistenz-Gen weitergegeben wird.
Brisant ist für die Wissenschaftler vielmehr die Entdeckung des Antibiotikaresistenz-Gens. «Was für den Menschen gefährlich sein könnte, ist die Tatsache, dass Macrococcus caseolyticus dieses Gen auf andere Bakterien transferieren könnte», erklärt Vincent Perreten, Leiter am Institut für Veterinärbakteriologie. Das Gen habe zudem ein sehr breites Resistenz-Spektrum und mache mehrere Antibiotika-Gruppen unwirksam.
Resistenz im Laborversuch übertragen
Im Labor ist es den Veterinärbakteriologen bereits gelungen, das Antibiotikaresistenz-Gen auf den gefürchteten Krankenhauskeim Staphylococcus aureus, auch bekannt als MRSA, zu übertragen.
«Ob der Transfer unter natürlichen Bedingungen auch passieren kann, wissen wir nicht», sagt Vincent Perreten. «Macrococcen und Staphylococcen sind nahe verwandt und besiedeln auch ähnliche Lebensräume, was natürlich auch die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass so ein Resistenz-Gen vom einen auf den anderen gehen kann.»
Das Bakterium löst beim Menschen also keine Krankheiten aus, es besteht aber die – derzeit erst theoretische – Gefahr, dass es sein Antibiotikaresistenz-Gen via Rohmilch in der Lebensmittelkette weiter verbreitet.
Die Käse-Problematik
Rohmilch ist nicht konsumfertig und muss vor dem Verkauf bei rund 75 Grad pasteurisiert oder mittels Ultrahocherhitzung (UHT) keimfrei gemacht werden.
Während beim Milchkonsum die Antibiotikaresistenz-Problematik also kaum eine Rolle spielt, sieht es beim Käsekonsum etwas anders aus. Bei der Käseherstellung wird in der Schweiz aus Gründen der Qualität nämlich häufig auf Rohmilch zurückgegriffen. Beim so genannten «Brennen» werden weniger hohe Temperaturen erreicht, was Keime bessere Überlebenschancen bietet.
Ob Macrococcus caseolyticus mit dem Antibiotikaresistenz-Gen bereits im Käse vorhanden ist, weiss man nicht.
Erst wenn der Käse reift, bauen sich die verbleibenden Keime über Wochen und Monate langsam ab. Es gilt die Faustregel: Je länger die Reifung, desto sicherer das Produkt. «Ob Macrococcus caseolyticus mit dem Antibiotikaresistenz-Gen bereits im Käse vorhanden ist, weiss man nicht. Dafür ist unsere Entdeckung zu neu, und es wurden noch keine entsprechenden Untersuchungen gemacht», erklärt Wissenschaftler Vincent Perreten.
Antibiotika nur noch für Menschen?
Auch wenn unbekannt ist, woher das Antibiotikaresistenz-Gen ursprünglich kommt: Ein Zusammenhang mit der Antibiotika-Behandlung von Kühen mit Mastitis liegt auf der Hand. Entsprechend die Forderung von Vincent Perreten: «Mein Vorschlag wäre es, dass die kritischen Antibiotika der dritten und vierten Generation nicht mehr bei Tieren eingesetzt werden, sondern dass man diese für die Behandlung beim Menschen aufspart, um nicht weitere Antibiotikaresistenz-Gene zu selektionieren.»
Ein Verbot der Reserve-Antibiotika in der Tiermedizin hält Dagmar Heim, Leiterin Fachbereich Tierarzneimittel und Antibiotika vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV, indes nicht für zielführend. «Im ersten Moment hört sich das natürlich verlockend an. Tatsächlich gibt es aber auch Erkrankungen beim Tier, bei denen nur kritische Antibiotika zugelassen sind. Auch Lieferengpässe sind bei gewissen Antibiotika immer wieder mal ein Thema, und da braucht es manchmal auch eine Alternative», gibt die Tierärztin zu bedenken. Schliesslich sei es ja auch keine gangbare Lösung, die Tiere nicht mehr zu behandeln und einfach sterben zu lassen.
Keine Antibiotika mehr auf Vorrat
Dagmar Heim ist federführend in der Umsetzung der Massnahmen der «Nationalen Strategie Antibiotikaresistenzen (StAR)» im Veterinärbereich. Geändert wurde im Zuge der Massnahmen zum Beispiel, dass kritische Antibiotika und Antibiotika zum prophylaktischen Gebrauch nicht mehr auf Vorrat abgegeben werden dürfen.
Die Tiere nicht mehr zu behandeln und einfach sterben zu lassen, ist ja auch keine gangbare Lösung.
Tierärzte müssen deshalb nun in jedem einzelnen Fall beigezogen werden und entscheiden, ob und welches Antibiotikum eingesetzt werden könne. Das fördere vor allem auch die genaue Diagnose der Erkrankung.
Seit 2008 ist der Verkauf von Antibiotika für die Tiermedizin zwar um über 40 Prozent zurückgegangen, aber ausgerechnet der Verbrauch von kritischen Reserve-Antibiotika ging nicht zurück oder stieg sogar an. Das Problem ist erkannt. Um die Situation zu verbessern, soll deshalb 2019 eine Datenbank eingeführt werden, die alle Antibiotikaverschreibungen erfasst und damit Vielverbraucher klar identifiziert.