Für die Gewerkschaften – den Gewerkschaftsbund und Travailsuisse – scheint die Zeit der versöhnlicheren Töne in Sachen Pensionskassenreform endgültig vorbei. «Wenn es so weitergeht, sehen wir nicht, wie wir die Reform der 2. Säule weiter unterstützen können», sagte Gabriela Medici, die stellvertretende Zentralsekretärin des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes und Sozialversicherungsspezialistin an einem Medientermin am Morgen.
Mit den jüngsten Vorschlägen aus der Sozialkommission des Nationalrats hat sich das Parlament in den Augen der Gewerkschaften auf Abwege begeben, weit entfernt vom Kompromissvorschlag der Arbeitgeber mit den Gewerkschaften, den auch der Bundesrat unterstützt. Die Idee dieses Kompromisses war, dass man zwar die Renten grundsätzlich nach unten anpasst, in dem man den sogenannten Umwandlungssatz senkt, dies aber ab mit einem Rentenzuschlag von bis zu 200 Franken pro Monat abfedert.
De Courtens Vorschläge brächten Rentenabbau
Die neuen Vorschläge brächten jetzt aber doch einen Rentenabbau, rechnet der Gewerkschaftsbund vor und macht ein Beispiel: «Für 48-jährige Frauen würden sie eine Renteneinbusse von 200 Franken monatlich bedeuten.» Von der Abfederung würde sie nicht profitieren.
SVP-Nationalrat Thomas de Courten, der die neuen Vorschläge eingebracht hat, sagt zu diesem Beispiel, es sei nur die halbe Wahrheit. «Fakt ist, dass der Zuschlag im Modell der Kommissionsmehrheit genau gleich hoch ist, aber die Kommissionsmehrheit will die Zuschläge nicht mit der Giesskanne an alle verteilen. Sondern sie will sie dort einsetzen, wo tatsächlich Rentenverluste entstehen.» Zudem käme das Geld für diese Abfederung aus den Reserven der Kassen und nicht aus zusätzlichen Lohnprozenten.
Grossverdiener können Steuern sparen
Die Gewerkschaften sagen auch: Die Nationalratskommission habe ein Paket für die mit den höchsten Löhnen geschnürt. Weil man mehr freiwillig in die Pensionskasse einzahlen könnte und so Steuern sparen könnte. Medici sagt dazu: «Für Topverdiener ist das sehr lukrativ. Für Normalverdienende zeigen die Berechnungen des SGB, dass man ein Fünftel mehr Einkommen einzahlen kann. Das können Personen mit tieferem Einkommen nicht.»
Auch hier schüttelt SVP-Nationalrat de Courten, der selbst im Verwaltungsrat einer Pensionskasse sitzt, den Kopf: «Das ist ein altes, klassenkämpferisches Argument. Mir ist wichtig, dass wir in einem Drei-Säulen-Prinzip die Existenzgrundlage, das gewohnte Einkommen, auf lange Sicht für alle sichern können.» In diesem Drei-Säulen-Prinzip sei der soziale Gedanke in der AHV ja schon drin. Dort zahlten die Gutverdienenden mehr, als sie im Alter beziehen.
Was sagt das Volk dazu?
Dieser Schlagabtausch zeigt, dass das Bemühen um den grossen Kompromiss für die Zukunft der Sozialwerke von kurzer Dauer war. Sowohl die AHV-Reform als auch jene der zweiten Säule sind in einer Volksabstimmung absturzgefährdet. Die Gewerkschaften wollen mit einer Grossdemo während der Herbstsession schon mal die Muskeln spielen lassen.