Vor einem knappen Jahr, im Februar 2021, hielt Marc Walder, der CEO von Ringier, einen Vortrag bei der Schweizerischen Management Gesellschaft (SMG). In der Fragerunde nach dem Vortrag wollte jemand von ihm wissen, wie er grundsätzlich die Rolle der Medien während der Corona-Pandemie einschätze. Walder antwortete:
Wir hatten in allen Ländern, wo wir tätig sind – und da wäre ich froh, wenn das in diesem Kreis bleibt –, auf meine Initiative hin gesagt, wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung, damit wir alle gut durch die Krise kommen.
Der Mitschnitt des Vortrags wurde nun von dem Gegner des Medienpakets öffentlich gemacht. Weil die gesellschaftliche Lage durch die Viruskrise so angespannt sei, dürften die Medien nicht weiter Öl ins Feuer giessen, so Walder weiter: «Wir müssen versuchen, dass die Politik – ob sie jetzt genug schnell, genug hart, zu wenig hart usw. agiert – das Volk nicht verliert. Hier dürfen die Medien nicht einen Keil treiben zwischen die Gesellschaft und die Regierung.»
Zum Schluss begründete Marc Walder seine Position damit, dass die Medien in einer grossen Krise eine zusätzliche Verantwortung hätten. Nun lösen diese Aussagen kritische Reaktionen aus, insbesondere im Zusammenhang mit der Abstimmung vom kommenden 13. Februar. Dann entscheidet die Stimmbevölkerung darüber, ob der Staat den Medien zusätzlich finanziell unter die Arme greifen soll.
Profitieren würde auch Ringier. Die Gegner dieses geplanten Medienpakets kritisieren nun, diese Haltung zeige die Nähe von Ringier zur Regierung. Und Kritik gibt es auch von Medienwissenschaftler Vinzenz Wyss von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften: «Unabhängig vom Kontext, in dem diese Aussage gemacht wird, ist sie hoch irritierend und eigentlich unjournalistisch. Auch in einer Krise muss Journalismus kritische Distanz bewahren, um glaubwürdig zu bleiben. Das heisst, den politischen Akteuren immer auch kritisch auf die Finger zu schauen.»
Auch in einer Krise muss Journalismus kritische Distanz bewahren, um glaubwürdig zu bleiben.
Wyss kritisiert auch, dass der Ringier-CEO seinen Redaktionen eine Devise vorgab. Die Redaktionen müssten zwingend vom Verlag unabhängig sein, findet der Medienwissenschaftler. «Ein CEO sollte jedes noch so unbegründete Geschmäckle vermeiden, dass die Redaktion ihre Unabhängigkeit nicht bewahren könne.»
Etwas anders beurteilt ein zweiter Medienwissenschaftler die Aussagen von Marc Walder: Matthias Künzler ist Projektleiter an der Fachhochschule Chur. Er betont, dass die Aufgabe der Medien weitergehe, als nur die Mächtigen zu kritisieren.
Medien sollen informieren, aber auch eine Alltagshilfe erbringen. Gerade in solchen Krisenlagen sollen sie Orientierung schaffen.
«Medien sollen informieren, aber auch eine Alltagshilfe erbringen. Gerade in solchen Krisenlagen sollen sie Orientierung schaffen. Insofern ist das für mich noch kein Grund, jetzt in Alarmstimmung zu verfallen», sagt Künzler. Medien sollten also nicht stets aus Prinzip gegen die Regierung anschreiben.
Ringier verteidigt Walders Position
In einer schriftlichen Stellungnahme verteidigt Ringier heute die Position von Marc Walder: Der Verlag bekräftigt, dass die Medien in der Krise eine spezielle Verantwortung hätten und nicht spaltend wirken sollten. Dennoch hinterfragten die Ringier-Journalistinnen und -Journalisten ständig die Haltung der Regierung, schreibt Ringier.
Klar ist auf jeden Fall: Die Äusserungen von Marc Walder verleihen dem Abstimmungskampf über das Medienpaket vom 13. Februar zusätzlichen Zündstoff.