Nach zweieinhalb Jahren tritt SP-Nationalrat Tim Guldimann zurück. Der ehemalige Diplomat lebt in Berlin und führte seinen Wohnsitz im Wahlkampf als Argument an, ihn ins Parlament zu schicken. Nun tritt er wegen der räumlichen Distanz zurück. Im Gespräch mit SRF News erklärt er, warum das kein Widerspruch sein soll.
SRF News: Haben Sie Ihre Wähler betrogen, Herr Guldimann?
Tim Guldimann: Ich weiss, dass das eine Enttäuschung für diejenigen ist, die mich gewählt haben. In dem Sinne, dass eine Wahl natürlich für vier und nicht für zweieinhalb Jahre gilt. Das ist für mich der schwierigste Teil meines Entscheides, den ich aber trotzdem als konsequent betrachte.
Politik ist auch eine Frage des Milieus: Wo ist man, wo spürt man die Leute, was bekommt man mit im Alltag?
Bei meiner Wahl habe ich gesagt, dass ich Zeit hätte, auch in Zürich präsent zu sein und mich an der politischen Arbeit zu beteiligen. Ich habe nun festgestellt, dass das nicht möglich ist.
Das hätten Sie aber schon vor Ihrer Wahl wissen müssen.
Ja und Nein. Die Belastung des Nationalratsmandats, das immer noch quasi als Teilzeit-Job im Milizsystem gilt, ist sicher grösser, als ich mir das vorgestellt habe. Vor allem, was die Notwendigkeit betrifft, sich aktiv am politischen Leben zu beteiligen. Mit Wohnsitz in Berlin ist das schwierig. Politik ist auch eine Frage des Milieus ist: Wo ist man, wo spürt man die Leute, was bekommt man mit im Alltag?
Bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative habe ich über gute Kontakte, die ich nach Brüssel habe, einiges in die Diskussion im Parlament einbringen können.
Das unterscheidet sich von einer Situation, in der ein Parlamentarier vielleicht weit von Bern entfernt, aber in der Schweiz lebt. Wenn ich in Berlin lebe, weiss ich nicht, was ein Kilo Zucker in der Migros kostet und wenn ich dort in der U-Bahn fahre, ist es nicht wie im Zürcher Tram. Dazu kommt, dass ich eine Familie habe. Meine Frau ist sehr intensiv berufstätig. Sie hat mir während meiner diplomatischen Karriere familiär den Rücken freigehalten. Ich finde es nur richtig, dass man entsprechende Konsequenzen zieht, wenn man Gleichstellung ernst nimmt. Diesbezüglich gibt es gerade in der Schweiz noch sehr viel zu tun.
Eines der grossen Politthemen ist das Verhältnis der Schweiz zur EU. Sie leben in Berlin, der Hauptstadt des wichtigsten EU-Landes. Sie hätten damit eine wichtige Perspektive einbringen können. Offenbar ist Ihnen das nicht gelungen?
Ich sehe überhaupt nicht, dass mir das nicht gelungen wäre. In der EU-Debatte ging es zunächst um die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative. Hier habe ich nicht zuletzt über gute Kontakte, die ich nach Brüssel habe, einiges in die Diskussion im Parlament einbringen können. Auch dabei, wie die Debatte jetzt im Zusammenhang mit dem institutionellen Rahmenabkommmen weitergeht, konnte ich einen Beitrag leisten. Diese Fragen waren eine meiner Haupttätigkeitsbereiche in der politischen Arbeit in der letzten Zeit.
Das Gespräch führte Max Akermann.