Das Wichtigste in Kürze
- Die Zahl der erteilten Waffenscheine steigt in der Schweiz stark an.
- Eine Umfrage von Radio SRF zeigt, dass letztes Jahr in vielen Kantonen die Zahl zwischen 25 und 100 Prozent angestiegen ist. Auch die Zahlen für dieses Jahr bleiben hoch.
- Experten beobachten, dass sich junge Männer immer stärker fürs Schiessen interessieren – auch wegen dem Konsum von Gewaltmedien.
Im Waffengeschäft Poyet in der Altstadt von Bern stehen Jagd- und Sturmgewehre aufgereiht an der Wand. In der Glasvitrine der Theke sind Revolver und Handpistolen ausgestellt. Gaston Poyet hat seit ein paar Jahren wieder mehr Kundschaft.
Die neuen Kunden sind weder Jäger noch Sportschützen, meist jüngere Männer zwischen 20 und 40 Jahren. Sie kaufen moderne Waffen wie Beretta, Ruger, Colt oder Glock. Die benützt man in Schiesskellern, nicht in den Schützenvereinen, weil sie nicht für Wettkämpfe zugelassen sind.
Es kommen immer mehr Leute, die vielleicht ab und zu in einen Schiesskeller gehen. Ein neues Hobby. Viele von ihnen geben das Hobby nach kurzer Zeit wieder auf.
Verkäufe seit zwei Jahren angestiegen
Diese Beobachtung teilt Daniel Wyss. Der Burgdorfer ist Präsident des Schweizerischen Büchsenmacher- und Waffenfachhändlerverbandes. Dass die Kantone zweistellige Anstiege bei den Waffenerwerbsscheinen vermelden, erstaunt ihn nicht.
In den letzten zwei Jahren seien die Verkäufe deutlich angestiegen, sagt er.
Die meisten Kollegen merken das. Nur jene, die nur Jagd- oder Sportwaffen verkaufen nicht. Aber die, die wie wir verschiedenste Waffen verkaufen, verzeichnen in fast allen Kantonen eine Zunahme.
Nicht aus Angst
2016 hat sich die Zahl der Waffenerwerbsscheine im Kanton Zürich mehr als verdoppelt. Sie bleibt dieses Jahr auf ähnlichem Niveau, teilt die Kantonspolizei mit. Im Kanton Aargau stieg die Zahl um 44 Prozent, in Bern und St. Gallen um 26 Prozent an.
Eine gängige Erklärung für diese Zunahme ist, dass die Leute Angst haben und sich verteidigen wollen. Aber Untersuchungen zeigen, dass sich die Menschen in der Schweiz in den letzten Jahren stets sicherer fühlten.
Laut Robin Udry, Generalsekretär der Waffenbesitzerlobby Pro Tell, geht es den neuen Käufern vor allem um die Freude am Schiesssport.
Das sind meiner Meinung nach Menschen, die neu Waffen kaufen, weil es ihr Recht ist. Sie haben Freude am Schiesssport, finden ihn interessant, weil es Geschicklichkeit und Konzentration bedingt.
Videospiele als Inspiration
Waffenhändler Wyss sagt wie Poyet, dass es vor allem jüngere Männer seien, die zur neuen Kundschaft gehörten. Eine Faszination mit Schiesswaffen sei bei diesen durchaus zu beobachten, sagt Dirk Baier, Leiter des Instituts für Delinquenz und Kriminalprävention der Fachhochschule Zürich. Diese Faszination werde unter anderem durch intensiven Gewaltmedienkonsum genährt.
Wir wissen von jungen Männern, dass sie zu fünfzig Prozent und mehr Gewaltspiele spielen und da wird eine Affinität zu Waffen aufgebaut. Und die will man irgendwann auch echt probieren. Da legt man sich Schusswaffen zu.
Gehen diese Männer behutsam und professionell mit ihren Waffen um, so bestehe kein Problem, sagt Baier. Er vermutet aber, dass es eben diese Bevölkerungsgruppe nicht so genau nimmt mit den Regeln im Waffenrecht, die einen verantwortungsvollen Umgang mit Schiesswaffen garantieren sollen: «Dahinter könnte ein gesellschaftliches Problem stecken.»
Bis jetzt gebe es keine wissenschaftlichen Untersuchungen zu den Gründen hinter dem Anstieg der Waffenerwerbsscheine, erklärt Baier. Genauere Erkenntnisse dazu seien aber notwendig.