Safran gilt als das teuerste Gewürz der Welt. Seit 4000 Jahren ranken sich Mythen um das rote Gold. Der grösste Anteil des weltweit produzierten Safrans stammt aus dem Iran. In der Schweiz allerdings nimmt die Safranproduktion Jahr für Jahr zu – und die Nachfrage ist vorhanden. Zurzeit wird geerntet.
Ein Karrenweg führt vom Bündner Dorf Sagogn die Bergflanke hoch zu den Safranfeldern von Sandra und Urs Durrer. In der Nacht hat es bis fast ins Dorf hinunter geschneit. An diesem Morgen hängen die Wolken tief, es nieselt und ist kühl.
Urs Durrer steht mit einem geflochtenen Korb auf einem Feld und schaut auf den Boden. Schmale, grüne Blätter wachsen zwischen den Steinen empor. Von einem lilafarbenen Meer blühender Safrankrokusse keine Spur. «In der Nacht war's kalt», sagt Safranproduzent Durrer. «Dann hält sich der Safran zurück.» Dennoch fehlten nur noch wenige Tage bis zur Hochblüte, und seine Pflanzen seien bereit. Durrer bückt sich und zeigt auf schmale blass-lila Spitzen, die aus der Erde stossen. Das seien Blüten, die nächstens schon geerntet würden.
Er balanciert zwischen den Pflanzenreihen auf eine Blüte zu, die sich bereits einige Zentimeter aus dem Boden gewagt hat. Er kappt sie mit zwei Fingern und legt sie in seinen Korb. Die Blüten ernte er, wenn sie noch geschlossen seien. Sonst gingen wertvolle ätherische Öle verloren. Das Wissen über Safran haben sich Urs und Sandra Durrer in den letzten Jahren angeeignet und erweitert. Unlängst haben sie eine Art Standardwerk um das «rote Gold» veröffentlicht.
In hohen Dosen tödlich
Den Anbau von Safran betreiben die beiden als Nebenerwerb – ein aufwendiger Job mit viel Handarbeit. Es sei ein guter Ausgleich zu ihren Jobs im Büro. Und: Der Safran sei eine faszinierende Pflanze. Entstanden vor 4000 Jahren durch eine genetische Mutation, könne sich diese Krokusart nicht über Pollen vermehren, sondern allein über die Teilung ihrer Knolle. Auch blühe der Safran im Herbst, nicht wie seine Artgenossen im Frühling, und das Gras ist wichtig für das Wachstum der Safranknollen.
Safran habe früher exklusiv die Gewänder von Göttinnen, Königinnen oder Nymphen gelb gefärbt. Safran sei gesund, entzündungshemmend, antidepressiv, wirksam gegen Augenkrankheiten – in kleinen Mengen. «Hohe Dosen von 10 bis 20 Gramm können tödlich sein», weiss Durrer. Früher habe man Menschen auch mit Safran vor Operationen in einen Rauschzustand versetzt.
Teuer – und oft gefälscht
Safran anzubauen bedeutet viel Handarbeit, bei der Ernte, aber auch beim Jäten der Felder. Nicht umsonst gilt Safran als das teuerste Gewürz der Welt. Entsprechend kursiert viel gefälschter Safran. «Früher wurden Fälscher mit ihrer Ware verbrannt oder lebendig begraben.» Heute müssten die Käuferinnen und Käufer einfach die Ware gut prüfen, grinst Produzent Durrer. So rät er von Safranpulver ab, denn da sei oft Paprika oder Kurkuma beigemischt. Bei den Safranfäden gebe es klarere Merkmale.
«Die Narben des Safrans sollten zwei, drei Zentimeter lang sein, durchgehend rot und ein Ende in Form einer Trompete haben», sagt Durrer. Das könnten weder die Ringelblume noch die Färberdistel oder Tagetes aufweisen. Sie würden am häufigsten als Safranfälschungen verwendet.
In der Schweiz gebe es gut 70 Safranproduzenten, schätzt Experte Durrer. Etwa die Hälfte von ihnen produziere in Graubünden, nicht etwa in angestammten Gebieten wie Mund im Wallis. Es sind viele sehr kleine Produzenten, wenige grössere, einige mittlere wie die Durrers. Auf rund vier Hektaren würden in der Schweiz insgesamt sechs bis neun Kilogramm Safran geerntet. Die Schweiz sei mittlerweile zwar die grösste Produzentin im Alpenraum, im Vergleich zu den grossen Anbauländern allerdings ein Zwerg.
Elektronische Safran-Nase
So produziere der Iran gut 400 Tonnen Safran pro Jahr, 95 Prozent der weltweiten Produktion. Das sei ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für das Land. Entsprechend grosse Sorgen machten sich die Produzenten, wenn Safran im grossen Stil gefälscht wird.
Deshalb versuche der Iran, mit einer elektronischen Nase Fälschern das Handwerk zu legen, erzählt Safranbauer Durrer. «Sie kann iranischen Safran und dessen Herkunftsregion schnell bestimmen.» Die Maschine soll nun weiterentwickelt werden und auch weltweit Safran analysieren können. So will das Land seine Führungsposition im Safrangeschäft zementieren.
Urs Durrer schaut in seinen Korb. Die Ausbeute seiner 40'000 Knollen ist heute wetterbedingt bescheiden – gut 100 Blüten. 200 Blüten entsprechen rund einem Gramm Safranfäden, wofür er im Direktverkauf rund 80 Franken erhält.
Er richtet sich auf, geht mit dem Korb ins nahe gelegene Haus und breitet dort die Blüten auf dem Tisch aus. Dann nimmt er jede Blüte erneut in die Finger, öffnet sie sorgfältig, entfernt die Narben und lässt diese auf ein Blech fallen. Später werden sie getrocknet und erhalten dadurch das charakteristische Aroma.
Gastronomie interessiert
Die Arbeit im Feld sei aufwendig, ebenso das Vermarkten der einheimischen Fäden. Da sei die Gastronomie ein spannender Multiplikator, sagt Urs Durrer. Auf einem Spaziergang sei Gault-Millau-Koch Tino Zimmermann auf das Safranfeld gestossen. «Er kam bei der Ernte aufs Feld und war begeistert», erinnert sich Durrer. Seitdem ist der Safran aus Sagogn fester Bestandteil der regionalen Karte von Zimmermanns Restaurant Stiva Veglia in Schnaus, nur eine knappe Viertelstunde Autofahrt vom Safranfeld entfernt.
Für Gourmet-Koch Zimmermann ist Safran «die Diva unter den Gewürzen»: «Er braucht Platz in einem Gericht, weil er ein ganz spezielles Aroma hat.» Daneben könnten nur Produkte mit wenig Eigenaroma bestehen wie Fisch oder Geflügel.
Tino Zimmermann weicht den Safran in Wein ein, in Wasser, Milch, Bouillon. Oder in Sahne für eine knallgelbe Crema Catalana: Diese Spezialität komme bei seinen Gästen besonders gut an – und diese wiederum sind potenzielle Käuferinnen und Käufer von Durrers Safran.
Lukrativer Nebenerwerb für Landwirte
Trotzdem können Sandra und Urs Durrer nicht vom Safrananbau leben. Die Blüten ernten könnten sie zwar selbst. Deren Verarbeitung müsse aber schnell gehen, und da würden ihnen Nachbarinnen und Freunde zur Hand gehen – unentgeltlich oder mit ein paar Safranfäden als Lohn.
Für Bauernbetriebe sehe die Rechnung aber anders aus, ist Urs Durrer überzeugt: «Safran kann für die Landwirtschaft eine spannende Nische sein.» Sie ermögliche im Herbst eine zusätzliche Ernte und damit einen zusätzlichen Ertrag.
Es bestehe eine Nachfrage nach hochwertigem Bio-Safran aus heimischer Produktion, ist der Experte überzeugt. Seine Ernte sei in der Regel schnell ausverkauft. Die Rechnung gehe allerdings nur dann auf, wenn die ganze Bauernfamilie beim arbeitsintensiven Jäten, Ernten und Verarbeiten mithelfen kann und keine zusätzlichen Hilfskräfte entlohnt werden müssen.