Die Schweiz hat, rein umgangssprachlich, keine Zukunft: «Hüt rägnets, morn rägnets oo». Denn der Dialekt kennt kein Futurum. «Nächscht Wuche stimme mir ab». Und auch keine Vergangenheitsform im Sinne von: «Es war einmal und ist nicht mehr». Rührt daher vielleicht unsere mangelnde Fähigkeit, aus gemachten Fehlern Visionen zu entwickeln? Es ist jedenfalls nicht unsere Art, den Blick nach vorn zu richten.
Sie ist ja auch anstrengend, die heutige Welt!
Manche stecken mental gar so arg im vorletzten Jahrhundert fest, dass es wehtut. Der Bündner Richter etwa, der eine junge Frau, die vergewaltigt wurde, allen Ernstes gefragt hat: «Hätten Sie die Beine nicht besser zusammenpressen müssen?» Sie sei schliesslich «nicht unkräftig gebaut». Womit er das Opfer zur Täterin machte – weil das neue Sexualstrafrecht mit dem Grundsatz «Nein heisst Nein» offenbar noch nicht in seinem Kopf angelangt ist.
Muss denn alles immer so kompliziert sein? Nein!
Sie ist ja auch anstrengend, die heutige Welt! Nicht mal mehr Kerzen soll man anzünden dürfen bei dem garstigen Novemberwetter! Schadet dem Klima. Kaffee? Mit jeder Tasse, die wir trinken, vergeuden wir eine Badewanne voller Wasser. Und shoppen lässt es sich, Black Friday hin oder her, ohnehin nicht mehr mit gutem Gewissen.
Muss denn alles immer so kompliziert sein? Nein! Kommenden Sonntag können wir die Welt an der Urne wieder in Ordnung bringen. Ganz einfach. Wir stecken Milliarden in den Autobahnausbau, möglichst sechsspurig von St. Gallen bis nach Genf, und schaffen freie Fahrt für freie Bürger. Gentlemen, start your engines! Los gehts, brrm, brrmm brrmm! Wie zu den Zeiten, da noch niemand vom Verpesten der Umwelt sprach.
Zürich verbietet den Genderstern in amtlichen Verlautbarungen und sorgt dafür, dass es nur noch Stadt- und Gemeinderäte gibt, keine -rätinnen mehr. Just so, wie es in den 1960er-Jahren der Fall war. Als ein Mann noch ein Mann und eine Frau noch Hausfrau war. Und die Stadt Basel verhindert dank frommem Referendum den wüsten, «satanistischen» Eurovision Song Contest, an dem sich Schwule, Nonbinäre, Transmenschen tummeln und alles andere, was Gott verboten hat.
Los gehts! Mit Vollgas dorthin zurück, wo wir herkommen.
Heissa, wird das Leben dann wieder schön! Eine Welt, überschaubar wie damals, als man wirklich noch glaubte, wer Autobahnen baue, löse damit Verkehrsprobleme. Inzwischen meint dies bloss noch der Rösti Albert. Nur war der dummerweise Präsident von «Swiss Oil» und von «Auto Schweiz», der Brennstoff- und der Autolobby, ehe er Verkehrsminister wurde.
Los gehts! Mit Vollgas dorthin zurück, wo wir herkommen.
Liegt es an der Mundart, die weder Zukunft noch Vergangenheit kennt, dass wir als Nation nicht eben zukunftsgerichtet sind? Oder ist umgekehrt unsere Art zu reden bloss Abbild des fehlenden Gestaltungswillens? Mir wei nid grüble.