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Die etwas anderen News «Du bist ein Nazi, wenn …» – Faktencheck auf Facebook am Ende

Mark Zuckerberg schafft den Faktencheck ab, Alice Weidel macht Hitler zum Kommunisten, Ueli Maurers Hund hat die Hausaufgaben gefressen und die Meinungsfreiheit hat Angst vor Fakten.

Renato Kaiser 

Kabarettist

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Mit seiner geschliffenen Sprache trägt Renato Kaiser unentwegt kritische Gedanken an sein Publikum. Diese werden mit so viel Dampf vorgetragen, dass man dabei nicht nur bestens unterhalten, sondern auch regelrecht mitgerissen wird. Die Arbeit des gebürtigen St. Gallers wurde 2020 mit dem Salzburger Stier geehrt. Kaiser ist Co-Head-Writer der «Sendung des Monats» und aktuell mit seinem vierten Bühnenprogramm «NEU» auf Deutschschweizer Bühnen zu sehen.  

Ohne Faktencheck gibt es auf Instagram und Facebook bald noch mehr Hatespeech und Verschwörungstheorien. Beliebte Boomer-Facebookgruppen sind dann: «Du kommst aus Effretikon, wenn du weisst, dass der Kägi-Fret-Kusi nicht an Covid gestorben ist, sondern an der Impfung.» Oder: «Du bist ein richtiger Hagebuchener, wenn du weisst, dass Hitler ein Kommunist war.»

Moment, Faktencheck: Das sagt nicht irgendein Nazi auf Facebook, sondern die Kanzlerkandidatin der AfD auf X im Gespräch mit Elon Musk. Und dafür gibt’s nicht Saures oder wenigstens einen Rücktritt, sondern ein kuscheliges «NZZ»-Portrait und ein Fernseh-Interview, in dem sie gefragt wird: «Wie sind Sie darauf gekommen, dass Hitler Kommunist war?»

Es ist also Fakt, dass in Europa Parteien Erfolg haben, die sagen: ‹Fakten mögen wir nicht so gerne›.

Als wär’s ein Fun Fact, ein Eisbrecher bei einer Dinnerparty: «Habt ihr gewusst, die Erdbeere ist gar keine Beere, sondern eine Nuss!» oder «Ah, lustig, habt ihr gewusst, Hitler war gar kein Nazi, sondern ein Kommunist!»

Vielleicht sollten wir beim nächsten Apéro mit einsteigen und sagen: «Habt Ihr gewusst, Alice Weidel ist gar keine Nuss! Sie ist ein Nazi!»

Das würde wahrscheinlich auch einem Faktencheck standhalten. Denn wer sich für seinen Slogan «Alice für Deutschland» bei einer alten SA-Parole bedient und als Wahlkampfflyer Abschiebe-Tickets verteilt, kurz: Wer redet und handelt wie ein Neonazi – ist vielleicht auch ein Neonazi?

Und mit der Lust an böswilliger Faktenverdrehung ist Weidel nicht allein. Im «Beobachter» stand: Derzeit gewinnen auch in der EU Parteien an Einfluss, die sich gegen den Faktencheck einsetzen. Es ist also Fakt, dass in Europa Parteien Erfolg haben, die sagen: «Fakten mögen wir nicht so gerne.»

Ähm tschuldigung, da ist ein Fakt in meiner Meinung, können Sie das bitte zurücknehmen?

Und in der Schweiz zelebriert Alt-Bundesrat Ueli Maurer ganz offen, dass er «kä Luscht» auf Fakten hat. Über den PUK-Bericht zu seiner Rolle im Credit-Suisse-Skandal sagt er:

  • Er widerspreche dem Bericht.
  • Und: Er habe den Bericht nicht gelesen.
  • Und: Er würde nochmal alles genau gleich machen.
  • Und: «Dass ich der Sündenbock sein würde, war von Anfang an klar.»

Klingt wie ein unangenehmer Primarschüler. Und die schriftlichen Unterlagen, die Maurer dem Bundesrat damals vorenthalten hat, hat wahrscheinlich sein Hund gefressen.

Sind die Fakten ruiniert, lügt es sich ganz ungeniert. Ob in Politik, Finanzwesen oder Social Media: Die Kriminellen sagen es uns mittlerweile direkt ins Gesicht. So müssen wir wenigstens nicht mehr die AGBs lesen.

Mark Zuckerbergs Meinungsfreiheit ist so frei, die ist sogar frei von Fakten.

Früher brauchte man Fakten, um sich eine Meinung zu bilden. Heute stören Fakten die Meinung: «Ähm tschuldigung, da ist ein Fakt in meiner Meinung, können Sie das bitte zurücknehmen?»

Und so kann Mark Zuckerberg voller Überzeugung sagen: Faktenchecks abschaffen, sei gut für die Meinungsfreiheit. Nämlich für seine. Und seine Meinungsfreiheit, die ist so frei, die ist sogar frei von Fakten.

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Bissiger Spass im satirischen Wochenrückblick. In der Radio-Kolumne «Zytlupe» analysieren starke Stimmen die Hochs und Tiefs der Politwoche : ungefiltert und ungeniert unkorrekt. Alle «Zytlupe»-Artikel finden Sie hier.

SRF 1, Zytlupe, 18.1.2025, 13:00 Uhr

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