Distanz sei auch bei reduziertem Angebot möglich, sagt SBB-Sprecher Raffael Hirt. Denn allein in den letzten zwei Wochen sei die Nachfrage im Inlandverkehr bereits um 50 Prozent eingebrochen. Und: «Wir rechnen mit einem weiteren Rückgang in den nächsten Tagen. Die Mehrheit der Schweizer ÖV-Reisen haben einen Freizeitzweck und nicht einen Pendelzweck. Wir dünnen also die Takte aus – kürzen aber keine Züge.»
Gleich lange Züge, aber weniger oft: Der Abbau beim ÖV hat auch Kritik geweckt, etwa bei der Zürcher Regierung. So wird der Zürcher Finanzdirektor Ernst Stocker heute im «Tages-Anzeiger» zitiert, die Ausdünnung sei aus Sicht des Kantons Zürich der falsche Weg. Der ÖV sei das Rückgrat der Wirtschaft.
Der Präsident der kantonalen ÖV-Direktoren, der Basler Verkehrsdirektor Hans-Peter Wessels, kann diese Kritik gut nachvollziehen: «Wir müssen dazu Sorge tragen, dass das ÖV-Angebot genügend gross ist und es nicht dazu führt, dass man zu eng zusammensitzt. Das würde dem Zweck, die Epidemie einzudämmen, widersprechen. Falls es so weit kommt, müsste man natürlich nachkorrigieren.» Das hiesse, das Angebot müsste wieder hochgefahren werden.
Es ist eine Gratwanderung, auf die sich der öffentliche Verkehr in der Schweiz nun begibt.
Bei der SBB sagt Hirt: «Wir gehen davon aus, dass wir nach wie vor genügend Sitzplätze für diese reduzierte Nachfrage anbieten können. Wenn es an einem Ort zu Kapazitätsengpässen kommen sollte, werden die Betreiber der jeweiligen Linie so rasch wie möglich reagieren. Aber es ist natürlich, wie Regierungsrat Stocker gesagt hat, eine Gratwanderung, auf die sich der ÖV in der Schweiz nun begibt.»
Die SBB betont: Keine Region, keine Ortschaft werde ganz vom ÖV-Netz abgehängt. Absolut einverstanden mit der Angebotsausdünnung ist die Interessenvertretung der ÖV-Kundinnen und -Kunden, Pro Bahn Schweiz. So sagt deren Präsidentin Karin Blättler: «Wir haben für diese Massnahme sehr grosses Verständnis. Da muss man jetzt durch. Wir sind überzeugt, dass das Angebot noch so aufrechterhalten wird, dass es erträglich sein wird.»
Die Präsidentin der Organisation, die für die Interessen der ÖV-Kundschaft eintritt, verzichtet mittlerweile auf alle öffentlichen Verkehrsmittel.