Tito Tettamanti empfängt zum Gespräch in seiner Villa am Fusse des Monte Brè hoch über Lugano. Die Szenerie wirkt wie aus der Zeit gefallen: Ein Butler in weisser Uniform mit goldenen Knöpfen und Schulterbesatz empfängt den Journalisten und führt ihn ins Arbeitszimmer des schwerreichen Financiers.
Tettamanti sitzt an seinem Schreibtisch, elegant gekleidet in einem blauen Anzug, mit Hemd, Krawatte und passendem Einstecktuch. Der Financier ist wahrlich ein Mann alter Schule: Er hat weder Laptop noch Smartphone, dafür eine Sekretärin.
Allerdings ist der 94-Jährige bestens über das Weltgeschehen informiert und so beginnt das Gespräch auch mit einem aktuellen Thema: den angedrohten Zöllen von US-Präsident Donald Trump.
Trump: «Arrogant, aber nicht dumm»
Er hätte Donald Trump nicht gewählt, sagt Tettamanti, Kamala Harris allerdings auch nicht. Trump sei zwar arrogant, aber nicht dumm. Dessen Zolldrohungen sieht Tettamanti als Mittel zur Lösung tieferliegender Probleme: hohe Staatsverschuldung der USA und Abhängigkeit von Importen. Langfristig prognostiziert er eine neue geopolitische Ordnung mit den USA, China und Russland als Hauptakteuren.
Tettamanti hat kürzlich ein Büchlein mit dem Titel «Confessioni di un conservatore» verfasst – eine Art politische Reflexion, die er als Geschenk an Freunde verteilt hat. Darin fordert er mehr politische Kultur statt opportunistischer Anpassung der Parteien an den Zeitgeist. Er sei überzeugter Konservativer. Das bedeute, er sei für den Fortschritt, ohne aber die Traditionen zu vergessen.
Kritik an politischen Entwicklungen
Tettamanti kritisiert besonders die ehemalige CVP für ihren Verlust klarer Werte. Auch die Linke habe sich verändert und verfolge teils utopische Ziele. Den politischen Wandel beschreibt er als Supermarkt-Phänomen: Parteien wechselten laufend ihr Angebot, um Stimmen zu gewinnen.
Tettamanti engagierte sich gegen die seiner Meinung nach unausgewogene Medienkonzentration und unterstützte konservative Medien wie «Die Weltwoche», und den «Nebelspalter». Es habe sich einiges geändert. Vor allem lobt Tettamanti die NZZ unter Chefredaktor Eric Gujer.
Dieser sei zwar kein Konservativer, aber ein echter Liberaler. Auch von den rechtskonservativen Journalisten Markus Somm und Roger Köppel ist er begeistert, wenn er auch die Haltung Köppels nicht immer teilt, insbesondere beim Ukraine-Krieg. Für Tettamanti ist der russische Angriff zu verurteilen. Er stehe klar auf der Seite der Ukraine.
Kapitalismus und soziale Verantwortung
Tettamanti sieht sich als überzeugten Kapitalisten. Aber auch dieser mache Fehler. Etwa bei der gerechten Verteilung des Reichtums. Pauschale Leistungen wie AHV-Zahlungen für alle lehnt er ab.
Er plädiert für gezielte Unterstützung Bedürftiger. Ein Giesskannenprinzip hält er für ineffizient und überholt. Diesen Fehler machten alle, das müsse man beheben.
Ich habe keine Angst vor dem Tod.
Tettamanti hält sich fit mit viel Schlaf und viel Bewegung. So läuft er täglich einen Kilometer und schwimmt regelmässig. Er habe keine Angst vor dem Tod, aber vor Kontrollverlust, beispielsweise durch Demenz oder Immobilität. Was den Tod betreffe, sage er jeweils auf Italienisch, er sei «in lista d'attesa», auf der Warteliste.