Mit dem Krieg in der Ukraine sind bewaffnete Konflikte auch hierzulande auf einmal wieder sehr präsent und nahe. Hier, wo man lange davon verschont geblieben ist. Genau 175 Jahre ist es her, dass es auf Schweizer Boden zur letzten kriegerischen Auseinandersetzung gekommen ist.
Im November 1847 fand sie statt: die Schlacht von Gisikon. Eine Schlacht, deren Namen viele nicht kennen. Obwohl sie von ihrer Bedeutung her durchaus mit den bekannteren Schlachten von Sempach oder Morgarten mithalten kann. Mehr noch: Für die Entstehung der modernen Schweiz ist sie sogar die entscheidende Schlacht.
«Das hier ist der Ort, der zum demokratischen Bundesstaat geführt hat», sagt der Luzerner Historiker Jürg Stadelmann. Er steht etwas oberhalb vom Luzerner Dorf Gisikon auf einer Wiese mit Blick auf das Reusstal. «Auf dieser Kuppe hier hat das Entscheidungsgefecht stattgefunden.»
Der Krieg, der als Sonderbundskrieg in die Geschichtsbücher einging und in Gisikon am 23. November 1847 sein Ende fand, war etwas zwischen Bürgerkrieg und Revolution. Es war die Auseinandersetzung zwischen zwei Weltanschauungen: der Kampf der katholisch-konservativen gegen die modern-liberale Schweiz.
Nicht einmal einen ganzen Monat dauerte der Krieg und es gab auch verhältnismässig wenig Opfer. Man geht heute von knapp hundert Toten aus. Den Sieg trugen die liberalen Kräfte davon – unter der Führung des Genfer Generals Guillaume Henri Dufour. Sein Verdienst sei es gewesen, dass er den Krieg schnell und glimpflich beenden konnte, sagt die Historikerin Heidi Bossard-Borner, die die Luzerner Kantonsgeschichte des 19. Jahrhunderts aufgearbeitet hat. «General Dufour war es sehr wichtig, dass der Krieg so abläuft, dass man sich später wieder versöhnen kann - und dass es nicht über hundert Jahre geht wie zum Beispiel in Amerika mit den Südstaaten.»
Tatsächlich raufte sich die Schweiz danach zusammen und bereits knapp zehn Monate nach Kriegsende hatte das Land eine neue Verfassung. Sie legte den Grundstein für die moderne Demokratie in der Schweiz. «Das Entscheidende war, dass ein handlungsfähiger Bundesstaat geschaffen wurde», sagt Heidi Bossard-Borner. Die Verfassung sei «ein wirklich stabiles Gerüst» gewesen, das einen wirtschaftlichen Modernisierungsschub ermöglicht habe. «Binnenzölle wurden abgeschafft und es gab neu eine einheitliche Währung.»
Dass das innert so kurzer Zeit geschah, ist für Historiker Jürg Stadelmann ein herausragendes historisches Ereignis: «Heute muss man erstaunt fragen: Wie haben die das bloss gemacht? Zuerst zielten sie aufeinander und am Schluss ist der Staat entstanden, auf dem wir heute aufbauen.»
Wenn man heute auf die damaligen Ereignisse zurückblickt, soll es deshalb nicht einfach um die Geschichte eines Gefechts gehen – sondern vor allem um dessen Folgen. Um den Weg von einer «mausarmen Gegend, wo man nicht wusste, wie es am nächsten Tag weitergeht», bis zur heutigen wohlhabenden und sicheren Schweiz, sagt der Historiker: «Es geht darum, diesen Riesenfortschritt zu thematisieren.»