Kaum Zwetschgen, Kirschen und Birnen, nur wenige Trauben: Das vergangene Jahr mit seinen grossen Niederschlägen hat den Bauern so ziemlich jede Ernte verdorben.
Doch während magere Obst- oder Weinernten in der Öffentlichkeit breit beklagt werden, findet ein anderes Landwirtschaftsprodukt weit weniger Beachtung, obwohl es ein wichtiger Bestandteil unserer Ernährung ist: Getreide. Auch hier fiel die Ernte 2021 schlecht aus – und das wirkt sich nun auf die Preise von Backwaren aus.
Es fehlt ein Drittel der Ernte – teilweise noch mehr
Gesamtschweizerisch wurde im vergangenen Jahr rund ein Drittel weniger Getreide geerntet als im Jahr davor, schätzt Swiss Granum, die Branchenorganisation für Getreide, Ölsamen und Eiweisspflanzen. Gebietsweise lag der Ertrag noch niedriger. Etwa im Kanton Luzern, über dem im Sommer aussergewöhnlich viele starke Hagelschauer niedergingen und zahlreiche Felder verwüsteten.
«Unsere Bauern haben gerade einmal halb so viel Getreide geerntet wie in den Vorjahren», sagt Guido Wicki, Betreiber der Wicki Mühle im luzernischen Schüpfheim und Vorstandsmitglied des Dachverbands Schweizerischer Müller. «Vieles davon war zudem von schlechter Qualität und ist nicht backfähig, weil die Witterung zu feucht war.»
Unsere Bauern haben halb so viel geerntet wie in den Vorjahren.
Für die Müller heisst das: Sie müssen Getreide importieren. Mühlen haben zwar Getreidelager und mischen das Korn aus bis zu drei Erntejahren, damit das Mehl geschmacklich von einem Jahr aufs nächste nicht zu stark variiert.
«Aber wir können nun nicht einfach die bestehenden Lager auflösen. Wir wissen ja nicht, wie die kommende Ernte sein wird», sagt Guido Wicki. Sein Unternehmen hat Getreide aus Deutschland zugekauft, die Mehrkosten dafür gibt er an die Bäckereibetriebe weiter – wobei er mit einem Preisaufschlag von 10 bis 15 Prozent rechnet.
Brote schlagen um bis zu 15 Prozent auf
Die meisten Bäckereien wiederum haben seit Jahresbeginn die Preise für viele ihrer Brote angehoben. «Betroffen sind vor allem Backwaren mit einem hohen Mehlanteil, weniger Confiserieprodukte mit viel Milch- oder Butteranteil», sagt Josef Kreyenbühl, Bäcker und Präsident des Luzerner Bäcker- und Confiseurverbands.
Bis zu 15 Prozent teurer seien Brote mit dem Jahreswechsel geworden, schätzt Kreyenbühl – wobei dies nicht nur am importierten Mehl liege. «Gleichzeitig sind auch die Energiekosten für den Betrieb der Backstuben gestiegen, und auch Verpackungsmaterial ist teurer geworden», sagt er.
Das importierte Mehl verteuert aber nicht nur das Brot. Vor allem für Betriebe, die stark auf Regionalität setzen, wird es zum Problem, wenn regionales Getreide fehlt. Der Schüpfheimer Müller Guido Wicki etwa produziert Mehl fürs Migros-Label «Aus der Region». Im Moment funktioniere das noch, sagt er. Das Getreide der lokalen Bauern reiche aus, um das Label zu bedienen – «aber für andere regionale Bioprodukte haben wir Schwierigkeiten».
Dass sich die Situation rund ums Mehl schnell normalisiert, sei nicht zu erwarten, meint Wicki. «Wir hoffen jetzt auf einen guten Erntesommer. Aber auch wenn er überdurchschnittlich gut wird, reicht das nicht. Die Nachfrage bleibt grösser als das Angebot, weil die Mühlen ihre Lager wieder auffüllen wollen.»