Um jeden Preis wollte der Kanton Bern verhindern, dass das Virus hinter die Gefängnismauern gelangt. Deshalb gelten im Justizvollzug strenge Vorschriften: Teilweise durften Insassinnen und Insassen keinen Besuch empfangen; und wenn Besuche erlaubt sind, dann nur hinter Plexiglasscheiben. Es gilt zudem eine Ausgangs- und Urlaubssperre.
Die Lage im Frauengefängnis
Das einzige Frauengefängnis der Schweiz steht in Hindelbank im Kanton Bern. Etwa 20 Mütter, deren Kinder in der Schweiz leben, sind dort inhaftiert.
Viele verzichten im Moment auf ihr Besuchsrecht. Das Kind zu sehen, es aber nicht umarmen zu dürfen, sei zu hart. «Getrennt sein von den Kindern, das ist für die Mütter sowieso das Schwierigste an der Gefängnisstrafe», sagt Annette Keller, Direktorin der Justizvollzugsanstalt Hindelbank.
Die Trennung von den Kindern macht vielen Frauen zu schaffen.
Seit Beginn der Pandemie gibt es im Berner Justizvollzug die Möglichkeit, per Video zu telefonieren. Davon profitieren insbesondere diejenigen Mütter, deren Kinder im Ausland leben.
«Da gab es sehr emotionale Momente», sagt die Direktorin. «Einige Frauen haben ihre Kinder seit mehreren Jahren nicht mehr gesehen, das war jetzt möglich.» Videoanrufe würden auch künftig möglich sein, das wolle man beibehalten, auch nach der Pandemie.
Generell hätten die Insassinnen und Insassen die Coronamassnahmen akzeptiert, sagt David Mühlemann. Er leitet die Fachstelle für Freiheitsentzug bei der Menschenrechtsorganisation Human Rights. Man habe die bittere Pille geschluckt. Aber: Es sei höchste Zeit, dass der Kanton Bern seine strengen Vorschriften im Justizvollzug nun lockert.
Recht haben und Recht bekommen sind zwei unterschiedliche paar Schuhe.
Oft sei es für Gefangene schwierig, ihre eigenen Rechte geltend zu machen und sie durchzusetzen, wie zum Beispiel das Recht auf Besuch.
Das oberste Ziel: Resozialisierung
Ist man in einem Schweizer Gefängnis, so arbeitet man ab Tag 1 darauf hin, wieder in die Freiheit entlassen zu werden. Dafür brauche es drei Dinge, so David Mühlemann: Kontakte nach «draussen» weiterhin pflegen, während der Haft einer Arbeit nachgehen und gegen Ende der Haft Urlaube beziehen.
«Wenn der Justizvollzug die Resozialisierung nicht leisten kann, dann gibt es ein Legitimationsproblem.» Solche krassen Einschränkungen, wie sie bis vor kurzem galten, dürfe man nur kurze Zeit aufrechterhalten.
Da sei man dran, heisst es aus dem Frauengefängnis Hindelbank. Die Direktorin Annette Keller betont: «In unaufschiebbaren Fällen – zum Beispiel um eine Wohnung zu besichtigen oder für ein Bewerbungsgespräch – gewähren wir Ausgang.» So wie in Hindelbank läuft es auch in den anderen Berner Gefängnissen.
Die Rettung naht
Dank einer neuen Corona-Strategie im kantonalen Justizvollzug könnte sich die Lage der Gefangenen bald verbessern. Künftig sollen Frauen und Männer nach den Besuchen oder Urlauben mit Schnelltests getestet werden. So sollen sie wieder Freiheiten erhalten. Der Regierungsrat muss diesem Vorschlag aber noch zustimmen und die Covid-Verordnung entsprechend anpassen.
Einen Lichtblick gibts aber sowieso für die Mütter im Frauengefängnis Hindelbank: Ab Freitag dürfen sie dank der Schnelltests ihre Kinder wieder umarmen.