Es ist ihr zweitletzter Schultag. Danach beginnen für die Abschlussklassen des Wirtschaftsgymnasiums Hottingen in Zürich die Maturaprüfungen. Die Maturandinnen und Maturanden haben Besuch von Radio SRF Nahost-Spezialistin Susanne Brunner. Sie erzählt aus dem Krisengebiet und beantwortet Fragen. Eingeladen hat Geschichtslehrperson Ina la Serra.
Sie behandle mit jeder Klasse den Nahost-Konflikt, sagt la Serra. Noch nie habe die Situation eine solche Brisanz erreicht wie dieses Jahr mit dem Gaza-Krieg. Die Klasse sei geteilter Meinung gewesen. Die Diskussionen seien auch emotional geworden.
Mit Freunden bin ich noch vorsichtiger. Ich möchte nicht, dass wegen einer blöden Aussage etwas kaputtgeht.
Davon spürt man an diesem Morgen weniger. Die Jugendlichen hören Susanne Brunner zu, die eine oder der andere stellt eine Frage oder macht eine Feststellung.
Die Freundschaft geht vor
In der Schule, ausserhalb des Geschichtsunterrichts, sei der Konflikt kaum mehr Thema. Wenn, dann eher in der Familie oder im Freundeskreis. Bei Freunden sei sie besonders vorsichtig, sagt die 20-jährige Mia*. «Ich möchte nicht, dass wegen einer blöden Aussage etwas kaputtgeht.»
Karoline*, 18, hat eine enge Freundin, die Jüdin ist. Sie spricht sie manchmal konkret auf Vorfälle an und fragt, wie es ihr dabei gehe. Die Antworten der Freundin, die Pro Israel sei, hinterfrage sie dann auch. Daraus hätten sich schon stundenlange Diskussionen entwickelt. Aber auch Karoline will die Freundschaft nicht aufs Spiel setzen: «Wenn eine von beiden merkt, hey, das wird jetzt zu persönlich, zu hart, haben wir Diskussionen auch schon abgebrochen.»
Ich halte mich tendenziell sehr zurück, auch auf den sozialen Medien.
Für den 18-jährigen James ist es wichtig, beide Seiten anzuhören. Nur so könne man sich eine eigene Meinung bilden. Man habe schon Vorurteile, meint der 19-jährige Tom*. Aber er und seine Freunde versuchten, nicht radikal auf eine Seite zu kippen. Sie könnten den Hass hinter dem Konflikt nicht immer ganz verstehen.
Keine öffentlichen Statements
Louis*, ebenfalls 18, ist kein Jude, hat aber einen entfernten Teil der Familie, der jüdisch ist. Darum tendiere seine Familie zur jüdischen Seite. Er selbst halte sich mit Aussagen zurück. Auch auf Social Media. «Ich bin lieber etwas diskreter, als dass ich was Falsches sage.» Bereits eine israelische Fahne im Whatsapp-Status könne zu Reaktionen führen. Sein Bruder habe das erlebt.
An den Universitätsbesetzungen für Palästina würden diese Jugendlichen nicht teilnehmen. Louis sagt, es sei skandalös, wie die Besetzungen in den Vereinigten Staaten in den Antisemitismus abgedriftet seien. Er sei sehr überrascht, dass es nun auch an Schweizer Universitäten solche Proteste gebe.
Aufpassen, was man sagt und nicht alles sagen, was man denkt - der Nahost-Konflikt ist auch unter Schweizer Jugendlichen ein heisses Eisen.
*Die Vornamen sind Pseudonyme, um die Protagonisten zu schützen.