Am Freitagnachmittag sind es fast 70 Menschen, die anstehen. Frauen, Männer, Familien. Sie stehen an für Waren des täglichen Bedarfs: Brot, Gemüse, Teigwaren oder Kleider. Die Idee hinter dem Projekt der Sekundarschülerinnen und -Schüler ist simpel: Ein kleines Geschäft soll diejenigen Menschen, die bereits am Rande der Armut leben oder aufgrund von Corona in diese gerutscht sind, mit Gratis-Lebensmitteln, Kleidung und anderen Waren versorgen.
Erwartungen übertroffen
Start des Klassenprojekts war vor zehn Tagen, seitdem läuft es rund. Projektleiter Alex Haas, Klassenlehrer in Emmenbrücke: «Es übertrifft die Erwartungen. Wir haben nicht mit so einem grossen Andrang gerechnet. Letzte Woche waren es 40 – 50 Personen. Heute sind es schon 70. Wir sind froh, dass wir genügend Ware zum Abgeben haben.»
Haas ist Lehrer im Schulhaus Erlen und Initiator des Projekts «6020 hilft» (6020 ist die Postleitzahl der Gemeinde Emmen). Der Laden für Bedürftige hat momentan an drei Tagen pro Woche für jeweils zwei Stunden geöffnet.
Grosse und kleine Geschäfte machen mit
Abgegeben wird Essen, welches sonst weggeworfen würde. Für den Grundstock sorgt die Non-Profit-Organisation «Schweizer Tafel», die bei verschiedenen Detailhändlern Waren abholen darf. Aber auch lokale Geschäfte aus Emmen machen mit. So bringen zwei Bäckereien, eine Schokoladenfabrik und Privatpersonen nicht mehr gebrauchte Produkte vorbei. Grundsätzlich ist die Klasse um alle Lebensmittel und Waren froh, die organisiert werden. Wichtig sei einfach, dass die Lebensmittel ungeöffnet und nicht abgelaufen sind.
Eindrücke vom Gratisladen
Am Tag der Reportage führt dies zu 60 Kisten voll mit Lebensmitteln, Kleidern und Spielsachen. Der Ansturm ist gleich bei der Öffnung gross. Lehrer Haas muss immer wieder zur Rücksicht mahnen: «Immer nur eine Person darf in den Laden» und «Bitte beim Anstehen auf die Abstände achten.»
Der Laden, das sind zwei kleine, begehbare Container, in denen Schülerinnen und Schüler die Produkte herausgeben. Heute ist die 1. Sek-Schülerin Anisa bei der Essensausgabe. «Es ist eine schöne Aufgabe, ärmeren Menschen zu helfen. Das gefällt mir.». Manchmal sei es etwas schwierig, wenn sie den Leuten sagen müssen, dass sie nicht zu viel nehmen sollen. «Es soll für alle reichen.»
Emmen ist eine Agglomerationsgemeinde mit einem hohen Ausländeranteil. Ein Grundsatz ist Initiant Haas wichtig: «Wir fragen nicht nach, wir kontrollieren nicht. Alle sind willkommen. Alle Religionen, alle Hautfarben, alle Nationalitäten. Bei uns sind alle gleich – und gleich willkommen.» Die Idee entstand vor ungefähr einem Jahr in der Corona-Krise.
Wir fragen nicht nach, wir kontrollieren nicht. Alle sind willkommen.
«Viele benötigen irgendwann mal Hilfe. Speziell die Corona-Zeit hat uns nachdenklich gemacht. So kamen wir auf unsere Projektidee. Wir möchten helfen.»
Der Laden steht in Emmen an ziemlich zentraler Lage gleich beim Seetalplatz. Der grosse Ansturm führt dazu, dass Haas immer wieder Anpassungen vornimmt. So sucht er im Moment noch zusätzliche Regale, um alle Produkte einräumen zu können. Und überlegt, wie er die Abläufe verbessern könnte: «Die Leute kommen am Anfang alle auf einmal. Ich plane ein Nummernsystem wie bei der Post, sodass sich die Leute nicht um den Platz in der Schlange streiten müssen.»
Sie können Bedürftigen helfen und etwas gegen Food Waste tun.
Mit viel Herzblut motiviert Lehrer Haas seine Schülerinnen und Schüler dabei. «Sie können Bedürftigen helfen, etwas gegen Food Waste tun, und gleichzeitig Lebenserfahrung sammeln.»