Der junge Mann, gutaussehend, elegant gekleidet, sitzt im Zug. Im gleichen Abteil: eine Mutter mit ihrem minderjährigen Sohn. Sein Blick folgt dem Jungen, als dieser aufsteht und mit seiner Mutter den Zug verlässt. Der Mann bleibt sitzen. In Gedanken versunken.
«Lieben Sie Kinder mehr als Ihnen lieb ist?», fragt das Video des Vereins «Kein Täter werden», das in den sozialen Medien zu sehen ist. Und es bietet Hilfe an. Hilfe, wie sie auch der Kanton Zürich mit seiner Präventionsstelle Pädosexualität 2021 ins Leben gerufen hat.
Männlich, im Schnitt 33 Jahre alt
Die neusten Zahlen der Meldestelle zeigen nun: Das Angebot stösst im Kanton Zürich auf grosses Interesse. 58 Menschen mit pädophilen Neigungen haben sich im zweiten Betriebsjahr freiwillig gemeldet. Das sind deutlich mehr als die 31 Meldungen im Jahr zuvor.
Die meisten Kontaktaufnahmen erfolgten von Männern, die Altersspanne der Betroffenen reicht von 15 bis 69 Jahre. Des Weiteren kontaktierten dreizehn Angehörige die Präventionsstelle, weil sie den Verdacht hatten, der Partner oder eine Person im familiären Umfeld zeige pädophiles Interesse.
«Ein häufiges Anliegen der Betroffenen ist der Leidensdruck unter dieser sexuellen Präferenz», sagt Fanny de Tribolet-Hardy, die Leiterin der Präventionsstelle. «Diese Menschen können sich in ihrem nahen Umfeld nicht mitteilen und müssen allein und isoliert damit leben.»
Missbrauchs-Vorbeugung im Internet
Vielen gehe es aber auch darum, ihren Kinderpornografiekonsum zu unterbinden, sagt De Tribolet-Hardy weiter. Auch in diesem Bereich habe die Präventionsstelle im vergangenen Jahr wohl die grössten Erfolge erzielen können. «Wir konnten mit vielen Leuten daran arbeiten, dass sie keine illegale Pornografie mehr konsumieren.» Zudem sei es der Fachstelle in mehreren Fällen gelungen, dass sich anzügliche Berührungen, die bereits stattgefunden hätten, nicht wiederholten.
Kein Ausbau trotz wachsender Nachfrage
Nicht zuletzt aufgrund der hohen Nachfrage habe sich die Einführung dieser Präventionsstelle ausgezahlt, betont die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli. «Es ist wichtig, dass Kinder und Jugendliche vor sexuellen Übergriffen geschützt werden können. Die Präventionsstelle zeigt, dass das Angebot an der richtigen Stelle ansetzt.»
Ein Ausbau der Fachstelle steht trotz hoher Nachfrage aktuell noch nicht an. Fanny de Tribolet-Hardy betont zwar, dass «seit Januar nochmals deutlich mehr Anfragen» verzeichnet wurden. Trotzdem wolle man aber mit den bestehenden Ressourcen weiterarbeiten. Die Zusammenarbeit mit dem Verein «Kein Täter werden» habe sich zudem etabliert und soll daher weitergeführt werden.