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Schwangerschaftsberatung Spart Basel-Stadt seine Schwangerschaftsberatung kaputt?

In Basel wurde die Schwangerschaftsberatung unter Kostendruck verschlankt. Jetzt sei sie für Frauen weniger attraktiv.

Fällt der Schwangerschaftstest positiv aus, freuen sich viele auf ihren Nachwuchs. Anderen hingegen zieht das den Boden unter den Füssen weg: Was heisst das für mich, meine Gesundheit, meine Arbeit, meine Beziehung, meine Zukunft? Dann ist neutraler und kompetenter Rat gefragt, und zwar schnell.

Plötzlich ein Viertel weniger Beratungen

So werden schweizweit kostenlose Beratungen zu Schwangerschaft rege besucht; kantonale Fachstellen verzeichnen eine stabile bis steigende Nachfrage – die Schweizer Bevölkerung wächst. So erstaunt, dass in Basel-Stadt die Beratungen einbrachen: Im 2023 wurden noch 451 Beratungen registriert, gegenüber 592 Fällen im Vorjahr. Das ist knapp ein Viertel weniger.

Bund verpflichtet Kantone – Praxis unterschiedlich

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Das Bundesrecht schreibt den Kantonen vor, niederschwellige Beratungen zu Schwangerschaft gratis anzubieten. Geregelt ist das im Bundesgesetz über die Schwangerschaftsberatungsstellen von 1981 und der Verordnung dazu von 1983. Die Umsetzung widerspiegelt föderalistische Vielfalt.

Die Dachorganisation der Fachstellen für sexuelle Gesundheit und der Fachstellen für Sexualaufklärung in der Schweiz (SGCH) hat letztmals zum Jahr 2022 einen Monitoringbericht publiziert. Dieser weist landesweit gut 23'000 Beratungen aus, gegenüber gut 27'000 im Vorjahr, wobei nicht alle kantonalen Fachstellen ihre Zahlen ablieferten. Gemäss SRF-Recherchen dürften die Beratungen 2023 jedoch wieder zugelegt haben, dies in ähnlichem Rahmen.

Laut dem SGCH-Monitoring ist Basel-Stadt einer von neun Kantonen, wo nur eine Stelle dafür anerkannt ist, konkret das Universitätsspital Basel (USB). In der Waadt sind es mit 18 Beratungsstellen am meisten.

Mehr Beratungen im Baselbiet

Der Kanton Basel-Stadt unterstützte im Jahr 2023 insgesamt 451 Fälle der Beratungsstelle am USB. Davor waren die Zahlen schwankend, aber klar höher: 2022 waren es 592, im 2021 524 und 2020 546 Fälle. Die Zahl von 2024 war noch nicht erhältlich.

Im Nachbarkanton Baselland haben persönliche Schwangerschaftsberatungen derweil leicht zugelegt: von 378 im Jahr 2020, 377 im 2021, 385 im 2022 auf 399 im 2023. Doch 2024 stiegen sie deutlich an auf 445; das ist ein Plus von knapp 12 Prozent. Ob im letzten Jahr Frauen aus dem Stadt- in den Landkanton auswichen, lässt sich nicht ausmachen.

In Basel-Stadt ist das Universitätsspital Basel (USB) mit dieser Beratungsaufgabe betraut, die auf Bundesrecht beruht. Das USB erfüllt den kantonalen Leistungsauftrag mit täglichen Zeitfenstern in der Poliklinik seiner Frauenklinik – allerdings sind derzeit dort nur rund 20 Stellenprozente für Beratungen reserviert.

Schwangerschaftstest
Legende: Wenn ein positiver Schwangerschaftstest Angst statt Freude auslöst, ist gute Beratung Gold wert. KEYSTONE/DPA/HENDRIK SCHMIDT

Früher war es eine Abteilung mit zwei vollen Sprechstunden jeden Tag sowie eigenem Empfangsbereich, doch heute ist die Schwangerschaftsberatung faktisch in den Betrieb des Grossspitals integriert. Zum Vergleich: Ein paar Bushaltestellen weiter in Binningen BL hat eine von zwei Beratungsstellen des Nachbarkantons Baselland diskrete Räume in einem kleinen Hinterhaus an der Hauptstrasse.

E-Mail-Adresse nicht à jour

Googelt man danach für Basel, landet man rasch auf einer Unter-Website der «Dachorganisation der Fachstellen für sexuelle Gesundheit und der Fachstellen für Sexualaufklärung in der Schweiz», mit Kontaktangaben zur Basler Beratungsstelle im USB. Notiert ist da als E-Mail-Adresse jene der früheren Leiterin Sibil Tschudin – sie ist indes seit bald einem Jahr pensioniert. Das USB hat ihre Leitungsstelle seither nicht mehr besetzt.

Embryo-Ultraschall-Bilder
Legende: Ein Ultraschall macht Embryos schon sehr früh sichtbar. Keystone/Christian Beutler

«Ganz entscheidend ist, dass Frauen den Weg schnell finden zu diesem Beratungsangebot», sagt Sibil Tschudin. Sie fürchte, dass das nach dem Abbau in Basel nicht mehr gewährleistet ist. Und dass der Kanton den Gesetzesauftrag nicht mehr voll erfülle. Der Leistungsauftrag des Kantons verlangt vom USB Beratungen an jedem Werktag.

Das Gesundheitsdepartement teilt diese Zweifel nicht: «Die aktuelle Fachstelle des Unispitals ist unseres Erachtens eine verlässliche Anlaufstelle», sagt Mediensprecherin Anne Tschudin. Und es gebe daneben viele andere Beratungsstellen. Das USB geht auf konkrete Fragen zum Abbau und Folgen davon nicht ein.

Technische Leistungen sind ungleich besser vergütet.
Autor: Sibil Tschudin frühere Leiterin der Schwangerschaftsberatung am Unispital Basel

Die USB-Medienstelle schreibt allerdings generell von einem hohen Kostendruck. «Die Tarife decken die Kosten bei Weitem nicht ab. Insbesondere sind gemeinwirtschaftliche Leistungen, wie die Ausbildung und Forschung, nicht ausreichend finanziert.» Reine Beratungen seien nicht sehr einträglich, sagt auch Sibil Tschudin. «Technische Leistungen sind ungleich besser vergütet.»

Forschung weggespart

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Aufgegeben wurde bei der USB-Schwangerschaftsberatung auch die frühere Forschung im psychosozialen Bereich der Gynäkologie, welche Sibil Tschudins frühere Abteilung durchführte – als einziges Schweizer Spital. Dabei ging es zum Beispiel um Gründe, warum es bei manchen Frauen mehrmals zu einem Schwangerschaftsabbruch kommt und wie das zu verhindern wäre.

Sibil Tschudin hofft nun, dass Basel-Stadt seine Pflicht ernst nimmt und andere Wege sucht, zum Beispiel mit einer Kooperation mit dem Nachbarkanton. In den meisten anderen Kantonen sind Schwangerschaftsberatungen nicht beim grossen Spital angesiedelt – und mit eigenen Internetseiten auch besser auffindbar.

Der Zeitpunkt wäre günstig, über die Bücher zu gehen: Ende 2025 läuft der USB-Leistungsauftrag für die Basler Schwangerschaftsberatungen aus.

Regionaljournal Basel Baselland, 17.2.2025, 17:30 Uhr ; 

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