Es war eine Handvoll Umweltschützer im Urner Tal, Ende der 1980er-Jahre. Sie hatten genug vom Gestank, vom Lärm der Lastwagen, die durch ihr Tal donnerten. Sie wollten zurück zum Ursprung und lancierten eine Volksinitiative.
Der damals für das Verkehrsdepartement zuständige Bundesrat Adolf Ogi warnte, auch das Parlament empfahl zur Ablehnung, Experten taxierten die Initiative als nicht umsetzbar. Sie sei nicht vereinbar mit anderen Staatsverträgen.
Ein paar Jahre später, am 20. Februar 1994, stimmten die Schweizer der Vorlage knapp zu, mit 51,9 Prozent, entgegen allen Vernunftregeln. Fortan sollte der Transitgüterverkehr von der Strasse auf die Schiene verlegt, und auf einen Ausbau der Transitstrassen verzichtet werden.
Brüssel vor den Kopf gestossen
Die Annahme der Initiative löste in Brüssel Kopfschütteln aus. Nur zwei Jahre nach dem EWR-Nein gab das Schweizer Volk aus Sicht der Brüsseler Politiker der EU erneut einen Korb. Denn die EU wollte nicht Einschränkung, sondern Liberalisierung. Gerade erst kurz vor der Abstimmung der Alpeninitiative hatten Neuverhandlungen mit der Schweiz begonnen, zögerlich. Die EU legte eine dreimonatige Denkpause ein, bis sie die Verhandlungen zu weiteren Abkommen wieder aufnahm.
In Uri hoffte man derweil. Doch zwei Jahre nach der Abstimmung machte sich die Ohnmacht im Tal breit: So gut wie nichts war geschehen, im Gegenteil: Der Anteil der Bahn am Gütertransit nahm ab. 1990 lag der Bahnanteil bei 80 Prozent, im Jahr 2000 bei 70 Prozent und 2012 bei 63 Prozent. Mitglieder des Aktionskomitees «Transfer now – Verlagerung jetzt» blockierten die Strassen. Die Urner spendeten Beifall und Geld.
Es folgten Gesetze zur Umsetzung der Initiative. 1999 das Verlagerungsgesetz, 2001 die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe, 2002 das Landverkehrsabkommen mit der EU, dann 2008 das Güterverlagerungsgesetz. Gleichzeitig investierte die Schweiz in die Schienen, trieb den Bau der Neat voran.
Bis heute nicht umgesetzt
Und doch, trotz aller Gesetze: 20 Jahre nach dem Sieg an der Urne kämpft der Verein Alpeninitiative noch immer. Rund 1,25 Millionen Lastwagen queren heute jährlich die Schweizer Alpen auf der Strasse. 2018, so will es zumindest das Gesetz, sollen auf den Transitachsen nicht mehr als 650'000 Lastwagen pro Jahr durchdonnern. Gemäss Alpeninitiative hätte dieses Limit schon im Jahr 2004 umgesetzt sein sollen.
Geht man nach dem Wortlaut der Alpeninitiative, so ist diese gescheitert. Und doch «hat die Initiative einiges bewirkt», sagt Dirk Bruckmann vom Institut für Verkehrsplanung und Transportwege der ETH Zürich. «Wenn man andere Alpenübergänge in Europa anguckt, ist die Initiative ein Erfolg.»
Der Schienenverkehrs-Anteil liegt in der Schweiz ungefähr bei 70 Prozent. «In Frankreich liegen die Anteile bei 15,1, in Österreich bei 26,8 Prozent», so Bruckmann. «Wobei eine gewisse Verdrängung des LKW-Verkehrs auf die anderen Länder stattfindet.»
Die EU schwenkte ein
Und die EU, blieb die Union mit ihren Forderungen auf der Strecke? Der ETH-Experte verneint. «Die EU ist davon weggekommen, eine völlig liberalisierte Verkehrspolitik zu fordern, sondern hat ihrerseits ebenfalls eine Verlagerungsstrategie formuliert.»
Was allerdings heute noch im Raum steht: «Die EU möchte, dass der Zugang zu den Verkehrswegen für alle Markteilnehmer aus allen europäischen Ländern gleich ist.»
Die Auseinandersetzung, sie bleibt.