In nur fünf Monaten sammelte die SVP rund 150'000 Unterschriften für ihre Durchsetzungs-Initiative. Mit dem neuen Anlauf will die Volkspartei ihre Ausschaffungs-Initiative beschleunigen. Denn drei Jahre nach dem Urnengang wartet die Schweiz noch immer auf die Umsetzung des Volksentscheides vom November 2010.
Doch statt dem Souverän beschäftigen sich immer mehr Juristen mit der Materie. Denn Bundesrätin Sommaruga beantragte die SVP-Initiative für teilweise ungültig zu erklären. Stein des Anstosses ist ein Satz. In diesem Satz definiert die SVP, was sie unter zwingendem Völkerrecht versteht.
Das geht dem Bundesrat zu weit. Auch juristisch gesehen ist der Fall umstritten, denn die Experten sind sich uneins. So stellt etwa Oliver Diggelmann fest, dass die SVP den Begriff des zwingenden Völkerrechts im Text zu eng gefasst habe.
«Organisierte Aushebelung des Volkswillens»
Was läuft hier schief? Geht der Wille der SVP wirklich zu weit, oder ignoriert der Bundesrat das Initiativrecht der Bundesverfassung und damit den Willen des Volkes?
Der Ärger über den Entscheid des Bundesrates ist bei Adrian Amstutz noch deutlich spürbar. Der Fraktionschef der SVP glaubt, die Rollenverteilung sei etwas durcheinander gekommen: «An oberster Stelle ist nicht etwa der Bundesrat, sondern das Volk, dann kommt das Parlament und erst dann der Bundesrat.»
Das Arbeitstempo der Landesregierung sei je nach Geschäft unterschiedlich. «Wenn Brüssel oder Washington ruft, dann werden sofort alle Hebel in Bewegung gesetzt. Das eigene Volk schiebt man auf die Warteliste.» Adrian Amstutz ging gar noch weiter und sprach von einer organisierten Aushebelung des Volkswillens.
Auch Thomas Minder sieht sich als Opfer taktischer Schachzüge der Landesregierung. Der Bundesrat ist Exekutive, hat das umzusetzen, was der Souverän beschliesst. Zu viele Punkte seiner Initiative seien verwässert worden.
Von böser Absicht oder gar Obstruktion könne keine Rede sein, verteidigt CVP-Präsident Christophe Darbellay den Entscheid des Bundesrates. «Es geht hier nicht mehr um die Sache, es geht um Frustbewirtschaftung der Initianten.» Das Volksrecht der Initiative werde immer mehr zum Propagandainstrument der Parteien und diene nicht mehr der Demokratie.
Zwingendes Völkerrecht, der Streit um Definitionen
Zwar sind sich praktisch alle «Arena»-Teilnehmer darüber einig, dass zwingendes Völkerrecht höher zu werten sei, als das Landesrecht. Doch bei der Auslegung gibt es einige Unterschiede. Vor allem die Teilungültigkeit der Initiative kritisierte FDP-Präsident Philipp Müller explizit.
Die strittige Textpassage sei zwar unnötig aber unbedenklich. Die Bundesverfassung als Ganzes würde den Aspekten des Völkerrechts Rechnung tragen. Mit der Durchsetzungs-Initiative würde sich daran nichts ändern.
SP-Ständerat Hans Stöckli ist da anderer Meinung. «Das zwingende Völkerrecht ist Sache der gesamten Staatengemeinschaft.» Es gehe nicht an, dass nun die SVP in einem kleinen Nebensatz definiere, was als zwingendes Völkerrecht gelte. Gerade die Schweiz als Kleinstaat sei auf internationale Verträge und deren Einhaltung angewiesen. Mit seinem Veto sei der Bundesrat seiner Verpflichtung nachgekommen.
Noch ist in dieser Frage aber keine Entscheidung gefallen. Als nächstes werden sich die Parlamentarier damit beschäftigen und sicher auch sehr viele Juristen und Völkerrechtsexperten.