Immer mehr Väter wünschen sich, an den ersten Lebenswochen ihrer Kinder teilhaben zu können. Doch das Schweizer Gesetz gesteht ihnen nur einen einzigen Tag Vaterschaftsurlaub zu – so viel wie bei einem Umzug.
Auch im europäischen Vergleich fällt die Schweizer «Papizeit» äusserst knapp aus. Viele Länder kennen nämlich neben einem mehrtägigen bis mehrwöchigen Vaterschaftsurlaub auch eine Elternzeit, die sich Vater und Mutter partnerschaftlich teilen können.
Angesichts der auffallenden Unterschiede im europäischen Vergleich und des veränderten Rollenverständnisses mehren sich die parlamentarischen Vorstösse, die einen längeren Vaterschaftsurlaub fordern. Doch wie schon beim Mutterschaftsurlaub scheiden sich die Geister nicht zuletzt an der Frage «Wer soll das bezahlen?»
In der «Arena» diskutieren Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft über die verschiedenen Finanzierungsmodelle eines Vaterschaftsurlaubs und über seine Bedeutung für die Unternehmen, für die Vater-Kind-Bindung und nicht zuletzt für die Familie insgesamt.
Wer soll den Vaterschaftsurlaub bezahlen?
Für den Cedric Wermuth, Nationalrat SP/AG steht fest: «Vier Wochen Vaterschaftsurlaub wären ohne zusätzliche Steuerbelastung bezahlbar.» Dank der Überschüsse in der Erwerbsersatzordnung (EO) sei das Geld vorhanden. Anders sieht dies Nadja Pieren, Nationalrätin SVP/BE: «Wir haben kein Geld, das einfach herumliegt. Wir können uns das auch nicht leisten.» Sie vertritt die Ansicht, dass man besser die Arbeitgeber und Arbeitnehmer entlasten würde, als sie mit neuen Luxusbegehren zusätzlich zu belasten.
Auch die Unternehmerin und Präsidentin der Zürcher Handelskammer, Karin Lenzlinger, ist der Ansicht, dass ein Vaterschaftsurlaub eine nicht verkraftbare Zusatzbelastung für die Unternehmen darstellen würde. «Wir müssen schauen, dass wir die grossen Herausforderungen, die wir vor uns haben, überhaupt bewältigen können. Es liegt absolut nicht drin, dass noch etwas dazu kommt.» Gemäss Lenzlinger handelt es sich beim genannten Überschuss, nur um ein temporäres Plus, weil der Satz der EO erhöht worden sei. Dieser werde aber Ende Jahr wieder reduziert.
Dem hält der Bündner CVP-Nationalrat Martin Candinas entgegen: «Man könnte den Vaterschaftsurlaub auch bei der Senkung des EO-Satzes finanzieren. Ein zweiwöchiger Urlaub würde 0,05 Lohnprozent kosten. Anstatt den Satz um 0,2 Prozent zu senken, würde man einfach nur 0,15 Prozent zurückgehen.
Entlastung für die Partnerschaft, aber keine Ferien
In einem Punkt sind sich die meisten Diskussionsteilnehmer einig. Ein Vaterschaftsurlaub hat nicht nur Vorteile für den Vater, er entlastet auch die Mutter. Die Psychologin und Feministin Julia Onken geht dabei einen Schritt weiter: «Ein Vaterschaftsurlaub ist die billigste Variante, spätere Kosten zu sparen.» Die meisten Konflikte, die später in einer Beziehung auftreten würden, gingen auf die Geburt des ersten Kindes zurück. Daher sei es wichtig, dass sich Väter für dieses Ereignis Zeit nähmen.
Der Aargauer FDP-Nationalrat Andrea Caroni entgegnet ihr, dass die Geburt eines Kindes auch die Partnerschaft stärken könnte. Es sei aber nicht Sache der Allgemeinheit, dies zu ermöglichen. «Ein Vater hat sehr viele andere Möglichkeiten, den Urlaub einzurichten, zum Beispiel indem er seine Ferien geschickt plant.»
«Es ist gemein, wenn man so tut, als wenn das Ferien für die Väter wären.»
Für Cédric Wermuth ist dies eine elitäre Sicht. Nicht alle Familien hätten das Geld, unbezahlt Ferien zu nehmen. Die regulären Ferien möchte der SP-Politiker nicht zu diesem Zweck verwenden. Die erste Zeit mit einem Kind seien nämlich «definitiv keine Ferien». Diese Ansicht teilt auch Martin Candinas: «Es ist gemein, wenn man so tut, als wenn das Ferien für die Väter wären.»
Wann ist ein Vater ein «guter Vater»?
Nadja Pieren hält daran fest, dass ein Vaterschaftsurlaub freiwillig sein sollte: «Kinder haben ist ja auch freiwillig». Auch mache ein solcher Urlaub die Väter nicht automatisch zu guten Vätern, nur weil sie die ersten Wochen zu Hause seien. Es stimme nicht, dass man nur in dieser Zeit eine Bindung zum Kind herstellen könne. Die ersten sechs Jahre seien entscheidend.
Für die Psychologin Julia Onken haben die ersten vier Wochen des Vaters beim Kind eine viel weitreichendere Bedeutung: «Es geht um das Menschenbild, das wir als Gesellschaft verantworten können, nämlich dass Männer auch Menschen sind und nicht nur Maschinen, die abgekoppelt von ihren Gefühlen nur für die Wirtschaft funktionieren.» Ein Vater, der sich von Anfang an auf sein Kind einlasse, lerne eine neue sinnliche und verletzliche Welt kennen. Das berge viele Möglichkeiten, von Beginn an einen Kontakt zum Kind aufzubauen.
«Es geht auch um Chancengleichheit.»
Ein gesetzlich verankerter Vaterschaftsurlaub hat für den Präsidenten des Dachverbands Schweizer Männer und Väter, Markus Theunert, noch eine weitere Bedeutung. «Es geht auch um Chancengleichheit.» Kinder, deren Väter in den Genuss eines Vaterschaftsurlaubs kämen, hätten gegenüber den anderen einen Startvorteil im Leben. Die ersten zwei Wochen würden die Bindung zum Kind verstärken und die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass das Engagement der Väter bis ins Erwachsenenalter bestehen bliebe.
Eine Entlastung die Familien?
Bei einem Vaterschaftsurlaub geht es gemäss Martin Candinas um mehr als nur um die Vater-Kind-Bindung. «Es geht um die Frage, wie wollen wir die Familien in diesem Staat stärken?». Ein Vaterschaftsurlaub unterstütze die Familie, denn eine Entlastung der Väter sei eine Entlastung der Mütter. Wenn man wolle, dass die jungen Leute Kinder bekämen, müsste man auch etwas dafür tun.
Nadja Pieren hält dem entgegen, dass jungen Familien mit steuerlichen Entlastungen mehr geholfen sei als durch staatliche Belastungen. Auch sollten Kinder einen anderen Ursprung haben als unterstützende Massnahmen.
Für Julia Onken reicht allerdings ein Vaterschaftsurlaub als Massnahme nicht aus. Man müsse viel weiter fassen, was zur «Vervielfältigung der Menschen gehört» und die Partnerschaft in den Mittelpunkt rücken.