Sie kamen aus Afrika und flohen vor Krieg und Hunger, ein Leben in Europa war ihr Traum. Jetzt sind sie tot. Wie vor ihnen schon Tausende haben sie die Überfahrt nicht überlebt.
Das Drama vor Lampedusa schockierte selbstverständlich auch die Teilnehmer der Diskussionsrunde. Doch die Schuldkette gehe weiter, meinte Journalist René Zeyer. «In der nächsten Stufe gibt es korrupte und verbrecherische Regime in Afrika, die nicht in der Lage sind, Sicherheit und Ordnung der Bevölkerung zu gewähren.»
Migrationsexperte Thomas Kessler sagte auch, dass es den Europäern daran mangle, die Regimes zu kritisieren. Wir hätten ein mangelndes Kulturverständnis. «Wir verstehen Afrika schlecht,» so Kessler.
Susin Park von UNHCR Schweiz appellierte dafür, die Problematik auch mit einem gewissen Überblick zu sehen. Man müsse auch das gesamthafter sehen und verstehen, warum es solche Dramen gebe. «Das ist wegen der Verfolgung und der wirtschaftlich schwierigen Situation – das sind die grossen Faktoren,» betont Park.
Asylgesuche auf Botschaften – nur mit anderen Staaten
Im Zusammenhang mit den nun von Seiten der EU versprochenen Hilfen meinte Kessler nur, dass die technischen Lösungen nur die Prozesse vereinfachen würden. «Dies ändert aber überhaupt nichts an den Migrationsgründen – das wird die Migranten nicht abschrecken.»
Auch Park war der gleichen Meinung, unterstrich aber: «Wenn es hilft mehr Menschen zu retten, dann ist das sicherlich hilfreich.» TV-Journalist Jenke von Wilmsdorff kritisierte, dass die neusten Bemühungen der EU Augenwischerei seien. «Wir kümmern uns um die Grenzen und wer in welcher Menge flieht, aber darum sollten wir uns nicht vordergründig kümmern.»
Im Verlauf der Debatte kam auch die Frage auf, ob die Schweiz nicht wieder die Möglichkeit einführen sollte, in ausländischen Botschaften Asylgesuche stellen zu dürfen. Dies wurde von verschiedenen Protagonisten der politischen Parteien stark diskutiert. Doch man wurde sich einig, dass ein Alleingang der Schweiz nicht sinnvoll sei. Da müssten andere Staaten mitziehen, meinte auch der Vizedirektor des Bundesamtes für Migration, Urs von Arb.
Zeyer: «Afrikas Probleme müssen in Afrika gelöst werden»
Wie ist denn sonst den afrikanischen Ländern zu helfen? Die Armut sei unwahrscheinlich in einigen afrikanischen Ländern, erklärte von Wilmsdorff. So würden zum Beispiel Felder in Eritrea gar nicht mehr bestellt, weil die Männer ins Militär müssen. Kessler unterstrich dies: «Militär ist dort mehrjährige Zwangsarbeit ab 14 Jahren, das ist keine Rekrutenschule.» Die nordafrikanischen Staaten seien zu instabil und hier müsse man den Ansatz für der Hilfe stellen.
Journalist Zeyer sieht dies anders: «Es ist nun halt mal so, dass die Probleme in Afrika auch in Afrika gelöst werden müssen. Das mag sehr zynisch und menschenverachtend sein. Aber das ist die bittere Wahrheit.» In Afrika gebe es unerträgliche Clan-Diktaturen und gescheiterte Staaten. Das sei ein Problem, welches durch Flüchtlingspolitik nicht gelöst werden könne. Dies sei ein falsch verstandener Humanismus.
Kessler meinte aber, dass Europa viel tun könne. Europa müsste faire Handelsbeziehungen und eine nachhaltige Partnerschaft schaffen. Eine solche Entwicklungshilfe sei anzustreben.
Müller: «Entwicklungshilfe und gleichzeitig Ausbeutung geht nicht»
Es gebe aber auch die Meinung, dass Europa mit einer völlig verfehlten Entwicklungspolitik eine Mitschuld trägt, kritisierte Zeyer. «Was die Entwicklungshilfe betrifft, muss man zum Schluss kommen, dass sie falsch ist.» Zeyer forderte ein Ende jeglicher Entwicklungshilfe. Afrika sei das Höllenloch und das Elendsloch der Welt geblieben.
Dies sah die Leiterin von UNHCR Schweiz anders: Entwicklungshilfe sei wichtig. Von Wilmsdorff sah das auch so, meinte aber auch: «Es mangelt an Transparenz. Wo kommt denn die Entwicklungshilfe an?» Auch Kessler bat um eine Differenzierung. Er gab zu, es gebe auch schlechte Entwicklungshilfe, aber es gebe auch Partnerschaften nach den neusten Kriterien der Nachhaltigkeit.
Grünen-Nationalrat Geri Müller (AG) meinte wiederum dass Europa nicht Entwicklungshilfe anbieten und gleichzeitig die Staaten ausbeuten könne. Die Luzerner SVP-Nationalrätin Yvette Estermann forderte in diesem Zusammenhang, dass sich die Schweiz entscheiden müsse: «Wir bieten Entwicklungshilfe und nehmen Flüchtlinge auf. Für eines müssen wir uns entscheiden und vielleicht neue Wege beschreiten.»
Der Zuger CVP-Nationalrat Gerhard Pfister prangerte Europa an. Logistisch habe Europa versagt und die Flüchtlinge kämen so lange nach Europa, so lange das Gefälle zwischen Europa und Afrika nicht geändert werde. «Wir müssen unsere Märkte den Afrikanern öffnen», forderte Pfister.
Dies verlangte auch Migrationsexperte Kessler. Die Leute wollten Perspektiven und wir sollten unsere Märkte öffnen. Park forderte hingegen internationale und regionale Lösungen.