Vor knapp zehn Jahren starb der Aargauer Hans Moor qualvoll, weil er bei der Arbeit jahrelang Asbeststaub eingeatmet hatte. Er arbeitete als Monteur bei der Maschinenfabrik Oerlikon im Turbinenbau. Dieses Geschäft übernahm die ABB und später die Alstom. Zur Ummantelung der Turbinen musste Moor Asbest verarbeiten.
Bösartige Tumore
Asbest ist dann gefährlich, wenn freigesetzte Fasern eingeatmet werden. Sie verbleiben jahrelang im Lungengewebe und lösen Entzündungen aus. Bösartige Tumore wie diejenigen von Hans Moor brechen erst Jahrzehnte später aus.
Als Moor im Februar 2005 in der SRF-Sendung «Quer» auftrat, konnte er zwar noch seinem Hobby, der Holzschnitzerei, nachgehen. Er war aber schon damals schwer krank. Hans Moor: «Ich habe meinem Arzt gesagt, er solle mir ehrlich Auskunft geben, ob ich in drei Jahren noch lebe. Dann sagte er Nein.»
Über 1300 Todesopfer in der Schweiz
Neun Monate später starb Hans Moor. Sein Anwalt David Husmann klagte auf dessen Wunsch erstmals zivilrechtlich gegen ein Unternehmen, gegen die Alstom Schweiz. Die Angehörigen hätten Anrecht auf Schadenersatz, sagte Husmann, denn der Arbeitgeber habe Moor nicht geschützt.
Über 1300 Menschen sind in der Schweiz bisher wegen Asbest gestorben. Und in den nächsten Jahren werden mindestens nochmals so viele sterben. Während im Ausland Firmen wie die Alstom die Opfer entschädigen mussten, warten Schweizer Betroffene nach wie vor vergeblich. Das Problem sind die gesetzlichen Verjährungsfristen.
Der Anspruch auf Schadenersatz verjähre zehn Jahre nach dem letzten Kontakt mit Asbest. Das sagten alle Schweizer Gerichte bis zur höchsten Instanz auch im Fall der Klage von Moors Hinterbliebenen.
Neue Chancen für Schadenersatz
Jetzt haben die Schweizer Asbest-Opfer vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg einen wichtigen juristischen Erfolg erzielt.
Die Art und Weise, wie die Schweiz mit den Verjährungsfristen umgehe, sei nicht zulässig, befindet das Gericht.
Eine strikte Auslegung der Fristen verletzt nach Meinung der Richter in Strassburg den Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), in dem das Recht auf ein faires Verfahren festgehalten ist.
Der EGMR verpflichtet die Schweiz deshalb zu einer Genugtuungszahlung von 12'180 Euro an die Witwe sowie die zwei Töchter. Zudem muss sich die Schweiz mit 9000 Euro an deren Unkosten beteiligen.