Alle fünf Jahre publiziert das Bundesamt für Statistik drei Szenarien, wie sich die Schweizer Bevölkerung in den kommenden Jahrzehnten entwickeln könnte: Eine tiefe, eine mittlere und ein hohe Prognose.
«Mittleres Szenario» entscheidend für Strategien
Bereits im Jahr 2023, also in acht Jahren, dürften in der Schweiz mehr als 9 Millionen Menschen leben.
Die Bundesverwaltung stützt sich jeweils auf das mittlere Szenario, wenn sie Grundlagen für politische Entscheide ausarbeitet. Die letzten Berechnungen für dieses Szenario stammen aus dem Jahr 2010. Nun hat das Bundesamt für Statistik die Zahlen aktualisiert und letzte Woche – unbemerkt von der Öffentlichkeit – ins Internet gestellt.
Die neuen Voraussagen liegen massiv über den bisherigen Annahmen. Man habe die Werte der letzten zehn Jahre genommen und eine Hochrechnung für die nächsten zehn Jahre gemacht, sagt Markus Schwyn, Leiter der Abteilung Bevölkerung und Bildung im Bundesamt für Statistik. Dabei zeigt sich: «Bereits im Jahr 2023, also in acht Jahren, dürften in der Schweiz mehr als neun Millionen Menschen leben.»
Wir gehen von einer Einwanderung von 70'000 Personen pro Jahr aus.
Diese Zahl hatte man ursprünglich eigentlich erst für die Zeit nach dem Jahr 2060 erwartet.
Wirtschaft entwickelt sich besser als erwartet
Als 2008 die letzten Szenarien berechnet wurden, sei man eher pessimistisch gewesen was die Entwicklung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes angehe, erklärt Schwyn. Die Wirtschaft habe sich in den letzten Jahren viel positiver entwickelt als erwartet. Dies habe zu einer massiv höheren Einwanderung von ausländischen Arbeitskräften geführt als erwartet. «Wir gehen von einer Einwanderung von 70'000 Personen pro Jahr aus», sagt Schwyn.
Bisher ist man davon ausgegangen, dass die Zuwanderung in den nächsten Jahren auf etwas über 22'000 Menschen pro Jahr abflacht. Diese Zahl korrigiert das Bundesamt für Statistik nun massiv nach oben.
Schon in wenigen Tagen, am 22. Juni, will das Bundesamt für Statistik dann ganz neue Szenarien präsentieren, die bis ins Jahr 2065 reichen. Abteilungsleiter Schwyn verrät vorläufig soviel: Man rechne auch nach 2023 mit einem starken Bevölkerungswachstum, wenn auch nicht in diesem Ausmass. «Wir gehen davon aus, dass sich das etwas abkühlen könnte in der näheren Zukunft.»
Muss der Bundesrat seine Strategie korrigeren?
Das bringt den Bundesrat in eine umgemütliche Lage. Seine Energiestrategie, seine Verkehrspolitik, die Reform der Altersvorsorge – alles beruht auf den Bevölkerungszahlen, die sich nun als zu tief herausstellen. Nach den neuesten Zahlen aus dem Bundesamt für Statistik besteht Anpassungsbedarf.