Paul Seger trägt keine Krawatte, sondern stets eine Fliege. Er redet gern undiplomatisch Klartext. Und er macht um sich selber und sein Amt nicht viel aufhebens. Das unterscheidet den 57-jährigen Basler von anderen Botschaftern am UNO-Sitz in New York. Das dürfte es ihm auch wesentlich erleichtert haben, seine Aufgabe zu erfüllen. Seger sagt, die Beziehungen auf der persönlichen Ebene seien für die Arbeit wichtig. «Dann gelingt es im informellen Gespräch, Lösungen zu finden.»
Grosser Respekt vor Schweizer Botschaftern
Seit die Schweiz 2002 der UNO beigetreten ist, hat sie mit Seger schon zum dritten Mal – nach Jenö Staehelin und dem heutigen IKRK-Präsidenten Peter Maurer – einen in New York hochgeschätzten Postenchef. Auch UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon lobt gegenüber Radio SRF die Schweizer Diplomaten am UNO-Sitz. Sie hätten in der kurzen Zeit seit 2002 sehr viel zur Arbeit der UNO beigetragen.
Noch pointierter drückt es Eugène-Richard Gasana aus. Er ist der am East River in New York sehr geschätzte langjährige UNO-Botschafter Ruandas. Es komme auf die Personen an, die ein Land entsende, sagt er: «Es gibt nicht kleinere Länder, es gibt nur kleinere Leute.» Thomas Mayr-Harting, EU-Botschafter bei der UNO, pflichtet bei und betont, die Schweiz habe das Glück gehabt, bislang immer durch «exzellente Botschafter» vertreten zu sein.
Andere von den eigenen Ideen überzeugen
Doch was ist das Rezept, das es erlaubt, selbst als Kleinstaat unter 193 Ländern etwas zu bewirken? «Man braucht Koalitionen und muss andere vom Nutzen seiner Ideen überzeugen können», sagt Botschafter Seger. Nur dann komme man bei der UNO vorwärts. Es geht dabei nicht nur um Allianzen unter gleichgesinnten westlichen Ländern, sondern gerade auch mit Ländern aus anderen Kulturen und Kontinenten. Weil der Schweiz das häufig gelingt, kann sie in der UNO etwas bewegen.
Die grosse Reform des UNO-Sicherheitsrates, für die sich auch die Schweiz einsetzt, misslang zwar bisher. Aber etwas hat sie, unterstützt von anderen, durchaus erreicht, betont Seger. «Der Sicherheitsrat geht im Vergleich zu früher mehr auf die Mitgliedstaaten zu, hört sie an und informiert auch besser.» Sogar eine Beschränkung des Vetorechts ist nicht länger ein Tabu; seit kurzem ist dies wenigstens ein Thema, wenn auch noch nicht in der Realität umgesetzt.
Transparente Wahl gefordert
Zentrale Schweizer Anliegen sind ausserdem, Atomwaffen zu verbieten, den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu stärken oder den UNO-Spitzenposten nach seriöseren Kriterien als bisher zu besetzen. Seger findet nämlich, die Kür des UNO-Generalsekretärs sei bisher in etwa so transparent wie die Wahl eines neuen Papstes.
Dennoch verlässt der Schweizer Spitzendiplomat seinen Posten ohne Illusionen. «Man muss ehrlich sein: Die Mühlen hier bei der UNO mahlen sehr langsam.» Kürzlich habe ihm ein afrikanischer Kollege gesagt, man müsse auch bereit sein, einen Baum zu pflanzen im Wissen darum, sich wohl nie in seinem Schatten ausruhen zu können.
Ein Beitrag für mehr Demokratie
Seger fährt fort: Immerhin habe die Schweiz eine wichtige Entwicklung fördern können. «Wir haben es punktuell geschafft, dass die UNO etwas besser funktioniert und etwas offener und demokratischer geworden ist.» Genau diese Aufgabe wird Seger ebenfalls auf seinem künftigen Posten – seinem Wunschposten – als Botschafter in Burma, beschäftigen: Auch dort kann und will die Schweiz wenigstens einen kleinen Beitrag hin zu mehr Demokratie leisten.
Seger verlässt nun New York, das er für eine der spannendsten und elektrisierendsten Städte der Welt hält. Er gehe mit einem weinenden, aber auch mit einem «grossen, lachenden Auge» nach Burma, sagt er. Denn auch nach Burma begleitet ihn die Lust, in diesem Land des Umbruchs Neues anzupacken. Und natürlich seine charakteristische Fliege.