Nach langem Zögern macht der Bundesrat Nägel mit Köpfen. Die Zuwanderung soll mit einer Schutzklausel begrenzt werden. Doch der Vorschlag stösst nicht überall auf Begeisterung. So beurteilen die Initianten der Masseneinwanderungsinitiative die Idee einer Schutzklausel als untaugliches Mittel.
Für SVP-Präsident Toni Brunner bleibt der Bundesrat sehr vage. Er habe weder den Mechanismus dargelegt noch eine beurteilbare Lösung präsentiert. «Es ist mir ein Rätsel, wie mit einem Schwellenwert, der erst im darauf folgenden Jahr berücksichtigt würde, die Zuwanderung begrenzt werden kann», kritisiert Brunner. Die Schutzklausel bleibe ein theoretisches Konzept und liefere keine Antwort auf die Verminderung der Zuwanderung. Man sei gleich weit wie vor zwei Jahren.
Blocher stellt Bedingungen
SVP-Vizepräsident Christoph Blocher reagiert ebenfalls ungnädig auf die Strategie des Bundesrats. «Sie treten an Ort, weil sie die Masseneinwanderungsinitiative im Grunde genommen einfach nicht umsetzen wollen», sagt Blocher. «Sie machen alles, damit sie diese nicht umsetzen müssen, weil sie auf die EU Rücksicht nehmen.» So habe der Bundesrat zwei Jahre verloren und nur noch ein Jahr Zeit. Danach müsse er eine Verordnung erlassen.
«Wenn diese nicht zielführend ist, also die Zuwanderung nicht begrenzt, und der Inländervorrang nicht eingeschlossen ist, dann lanciert die SVP eine Volksinitiative zur Kündigung des Vertrags zur Personenfreizügigkeit.» Dies habe die Partei bereits beschlossen.
Zustimmung der bürgerlichen Mitte
Die BDP begrüsst hingegen die Vorentscheide des Bundesrats. Die sogenannte Schutzklausel entspreche konzeptionell der von der BDP vorgeschlagenen Lösung, die nun endlich ihren Weg nehme. Dies, nachdem auch die Wirtschaftsverbände sowie weitere Parteien praktisch identische Forderungen gestellt hätten.
Die BDP weist aber darauf hin, dass die Schweizer Wirtschaft auch bei einer tieferen Zuwanderung auf qualifizierte Arbeitskräfte angewiesen sein wird. Deshalb soll auf die Förderung inländischer Arbeitskräfte ein spezielles Augenmerk gerichtet werden.
«Zwei Jahre verloren»
Von einem Schritt in die richtige Richtung spricht die CVP in einer ersten Stellungnahme. Die Schutzklausel sei ein taugliches Instrument, um die Zuwanderung zu begrenzen und die Masseneinwanderungsinitiative umzusetzen.
«Wir haben aber zwei Jahre verloren wegen der ideologischen Blockade, fernab der Realität», sagt CVP-Präsident Christophe Darbellay. Es hänge letztlich alles vom Verhalten der SVP ab. Die letzten Signale von Christoph Blocher zeigten zwar einen gewissen Willen, von starren Positionen abzurücken. Dennoch glaubt der CVP-Präsident nicht, dass die SVP wirklich eine konstruktive Lösung anstrebe.
Auch FDP-Präsident Philipp Müller steht hinter den präsentierten Umsetzungsplänen, auch wenn die Regierung dabei «sehr unklar» bleibe. Nachdem eine Schutzklausel schon seit langer Zeit diskutiert werde, sei nun auch der Bundesrat auf diesen Zug aufgesprungen, sagt Müller.
Spielräume nutzen
Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse pocht auf den Fortbestand der bilateralen Verträge. Der Bundesrat anerkenne mit seinen heutigen Vorschlägen die Bedürfnisse der Unternehmen nach Rechtssicherheit. Dazu gehört für Economiesuisse auch, dass einerseits beim Ausländergesetz die bestehenden Spielräume genutzt werden, so etwa bei Grenzgängern und Kurzaufenthaltern. Und dass anderseits der Zugang zum europäischen Markt zwingend erhalten bleibt. Mit einer Schutzklausel könnte dies gelingen.
Ob die EU damit einverstanden sei, werde sich zeigen. Sollten sich Brüssel und Bern nicht einigen, unterstützte man im «äussersten Fall» auch eine Schutzklausel ohne Ja der EU.
Wohlwollend fällt auch die Reaktion des Schweizerischen Gewerbeverbands aus. Der SGV begrüsst die Absicht des Bundesrates, an den bilateralen Abkommen mit der EU festzuhalten und diese für die Zukunft zu sichern. Er fordert gleichzeitig eine «wirtschaftsverträgliche Umsetzung» der SVP-Zuwanderungsinitiative.
Das Konzept der Schutzklausel dürfe die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) nicht benachteiligen, mahnt die Dachorganisation der Schweizer KMU. Zudem sollen die Sozialpartner in den Prozess der Kontingentszuteilung einbezogen werden.
Kritik von links
Für die SP hingegen kommt die Variante «unilaterale Beschränkung der Zuwanderung ohne Einigung mit der EU» auf keinen Fall infrage. «Eine einseitige Beschränkung der Zuwanderung verstösst gegen das Freizügigkeitsabkommen mit der EU. Das ist ein hoch riskanter Vertragsbruch mit unüberschaubaren Konsequenzen für Arbeitnehmende, Studierende und Unternehmen», warnt SP-Präsident Christian Levrat.
Aus Sicht von Travail Suisse, dem Dachverband der Arbeitnehmenden, sind die heute vorgestellten Eckpunkte ein Spiel mit dem Feuer. Nur wenn mit der EU eine Verhandlungslösung gefunden werden könne, sei der Erhalt der bilateralen Verträge garantiert.
Brüssel bevorzugt den Verhandlungsweg
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund favorisiert eine einvernehmliche Lösung mit der EU. Eine allfällige einseitige Einführung einer Schutzklausel berge die grosse Gefahr, dass das geregelte Verhältnis zur EU nachhaltig gestört werde. Das Verhältnis zum «wichtigsten Wirtschaftspartner» sei für ein kleines Land wie die Schweiz essentiell, heisst es in einer Mitteilung.
Im Weiteren erinnert der SGB an das Versprechen für flankierende Massnahmen: In der Schweiz müssten Schweizer Löhne bezahlt werden und die Schweizer Arbeitsbedingungen gelten.
Die EU-Kommission hält sich nach der Ankündigung des Bundesrates bedeckt. «Es ist schwierig», aber man führe die Diskussionen mit den Schweizer Behörden weiter, um eine Lösung zu finden, schreibt sie in einer Stellungnahme.
Neue Gespräche sollen schon kommende Woche stattfinden, verrät SRF-Korrespondent Sebastian Ramspeck. Allerdings seien diese ziemlich kompliziert. Die entscheidende Frage sei: Akzeptiert die EU eine Beschränkung der Personenfreizügigkeit. Bislang war die Antwort immer ein Nein.
Auf Plan B, der eigenmächtigen Umsetzung der Schutzklausel, ist man in Brüssel offenbar nicht vorbereitet: Aus Diplomatenkreisen komme dazu nur unwissendes Schulterzucken. Zumal ein solcher Fall nicht nur Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen der EU und der Schweiz habe, sondern auf die ganze Europäische Union.