Um den Anfangsmietzins einer Wohnung anzufechten, reicht der Nachweis, dass im örtlichen Markt eine Wohnungsnot herrscht. Das Bestehen einer persönlichen Not- oder Zwangslage muss nicht nachgewiesen werden. Zu diesem Urteil kam das Bundesgericht und hob damit ein Urteil des Zürcher Obergerichts vom November 2015 wieder auf.
Rückblende: 2013 beziehen zwei Personen eine 3,5-Zimmer-Wohnung in Zürich. Der Mietzins beträgt 3900 Franken plus 300 Franken für anfallende Nebenkosten. Zu viel, finden die beiden Bewohner und ziehen vor die Schlichtungsbehörde. Ihr Argument: Sie seien auf Grund der prekären Lage auf dem Zürcher Wohnungsmarkt quasi gezwungen gewesen, den Mietvertrag zu unterschreiben – sie argumentieren mit einer Notsituation. Eine solche sei gegeben, wenn der Wohnungsleerstand unter 1,5 Prozent liege. In ihrem konkreten Fall habe er sogar nur 0,11 Prozent betragen.
Sie verlangen, der Anfangsmietzins sei um 1100 Franken herabzusetzen. Weil eine aussergerichtliche Einigung scheitert, ziehen die Mieter weiter vor das Obergericht. Doch auch das weist das Begehren ab. Es genüge nicht, wenn ein Mieter eine Notlage oder Wohnungsnot nachweise. Vielmehr müsse er beweisen, dass er sich aus diesem Grund in einer Zwangslage befunden habe und keine Alternative vorhanden sei. Das Bundesgericht hat dieses Urteil nun aufgehoben und es an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Erfolglose Suche als Indikator für Wohnungsnot
Das Bundesgericht hält in seinem Urteil fest, dass das Gesetz drei alternative Gründe für die Anfechtung eines Anfangsmietzinses enthalte.
- erhebliche Erhöhung der Miete gegenüber dem Vormieter
- persönliche Notlage
- prekäre Verhältnisse auf dem örtlichen Wohnungsmarkt.
Die beiden letzten Gründe müssen nicht kumulativ erfüllt sein, wie es das Zürcher Obergericht verlangt hatte. Eine Wohnungsnot lässt sich gemäss Bundesgericht nicht nur mit aktuellen Statistiken belegen. Ein Mieter könne auch durch das Nachweisen einer intensiven, aber erfolglosen Suche eine Wohnungsnot beweisen.
Generell schlechte Karten für Mieter
Indem eine Wohnungsnot dazu berechtigt, einen Anfangsmietzins anzufechten, wird gemäss Bundesgericht einem möglichen Missbrauch bei einem Marktungleichgewicht begegnet. Es sei eine «Binsenweisheit, dass Konsumenten im Allgemeinen und Mieter im Besonderen keine den Anbietern vergleichbare Stellung einnehmen, die ihnen die Verhandlung eines ausgewogenen Vertrages ermöglichen könnte».
Der Grundsatz, dass Verträge einzuhalten seien, gelte zwar uneingeschränkt. Aber eben nur, wenn gleichberechtigte und vergleichbar starke Kontrahenten einen Vertrag schliessen würden, schreibt das Bundesgericht in seinem Entscheid weiter.
Mieterverband erfreut, Hauseigentümer empört
Der Zürcher Mieterverband begrüsst das Urteil aus Lausanne. Es sei das erste Mal, dass das Bundesgericht so deutlich sage, dass eine tiefe Leerwohnungsziffer für eine Mietzinsklage ausreiche. Der Schweizer Hauseigentümerverband auf der anderen Seite zeigt sich empört. Wenn jeder Mieter nach Vertragsunterzeichnung den Mietzins anfechten könne, werde das Prinzip von Treu und Glauben untergraben.