Darf man mit Terroristen verhandeln, wie es SP-Bundesrat Pierre Graber 1970 tat – geheim, und ohne wenigstens die Bundesratskollegen zu informieren? Alt Aussenministerin Micheline Calmy-Rey sagt im Gespräch mit SRF News: «Manchmal ist es wichtig, geheim zu verhandeln. Wenn man alle informiert, kommen gar keine Verhandlungen zustande.» Grabers damaligen Entscheid, mit der PLO in einen Dialog zu treten, hält sie für «mutig». Er habe im Interesse der Schweiz gehandelt, was Aufgabe des Aussendepartementes sei: «Das hat er gut gemacht.»
Trotzdem schränkt sie ein. Der negative Aspekt sei, dass Graber allein das Interesse der Schweiz im Auge gehabt haben könnte: «Verhandlungen, die nur egoistisch im Interesse der Schweiz geführt werden und die Konsequenzen für die internationalen Partner nicht berücksichtigen, schaden dem Ansehen der Schweiz», so Calmy-Rey.
Das grosse Abwägen
Allgemein hält sie es aber für richtig, sich in gewissen Fällen auch mit Terroristen an einen Tisch zu setzen. «Das Gespräch zu suchen, heisst nicht, dass man ihre Haltung teilt.» In ihrer Amtszeit habe es beispielsweise Verhandlungen mit der Hamas gegeben.
Immer müsse man aber abwägen, ob wirklich etwas zu erreichen sei und welche Konsequenzen es hat, wenn man gar nicht verhandelt. «Oft heisst das Krieg», sagt Calmy-Rey. Die Frage sei aber auch, mit wem man sich an einen Tisch setze: «Wollen sie wirklich in Dialog treten oder ist dies nur ein Lippenbekenntnis, um nicht mehr bombardiert zu werden?» Diese Fragen seien oft sehr schwierig zu beantworten. Und: «Auch wenn man sich für den Dialog entscheidet, resultiert am Ende nicht immer ein Erfolg.»
Palästina zwischen Würenlingen und Zarqa
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Bild 1 von 10. Fotografen dokumentieren die Einschusslöcher der El-Al-Maschine 432. Am 18. Februar 1969 kommt die Weltpolitik nach Zürich: Vier Kämpfer der militanten «Volksfront zur Befreiung Palästinas» (PFLP) eröffnen kurz vor Take-Off das Feuer mit AK-47 auf das Flugzeug in Kloten mit Destination Tel Aviv. Ein Crewmitglied starb später an den Verletzungen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 10. Rekonstruktion der Ereignisse: Ein Attentäter starb vor Ort durch den israelischen Undercover-Flugsicherheitsbegleiter, Mordechai Rachamim (rechts im Gespräch mit Polizisten). Dieser war vom Flugzeug aus bewaffnet auf die Angreifer zugerannt. Er wurde zusammen mit den drei überlebenden Attentätern (links im Bild) festgenommen... Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 10. Rachamim (rechts) wird freigesprochen – hier verlässt er im Dezember 1969 das Bezirksgericht Winterthur. Diplomatisch ist der Fall heikel, weil er im Auftrag eines anderen Staates in der Schweiz gehandelt hatte. Israel muss zum ersten Mal zugeben, dass es Flugsicherheitsbegleiter auf Flügen mitschickt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 10. Die Attentäter wurden zu je zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt, so auch Amena Dabhor. Die sekuläre «Volksfront für die Befreiung Palästinas» (PFLP) ist eine Gruppierung des Dachverbandes «Palästinensische Befreiungsorganisation» (PLO). Die militanten Aktionen der PFLP sollten medial auf die Anliegen der Palästinenser aufmerksam machen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 10. In Würenlingen (AG) stürzte der Swissair-Flug 330 nach einer Bombendetonation an Bord am 21. Februar 1970 ab. Das Sprengstoff-Paket hatte eigentlich der israelischen El Al gegolten, wurde aber wegen Verspätungen auf die Swissair-Maschine umgeleitet. 38 Passagiere und 9 Crewmitglieder starben. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 10. Bergung und Sortierung der Trümmer und Leichenteile bei der Absturzstelle im Wald: Die Schweizer Bundeskriminalpolizei konnte zwar die beiden mutmasslichen Attentäter identifizieren, aber nie verhaften. Die Ermittlungen wurden 2000 eingestellt. In Deutschland läuft das Verfahren weiterhin, die mutmasslichen Täter werden per Haftbefehl gesucht. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 10. Schrecken und Neugier zugleich: Schaulustige am 22. Februar 1970 in Würenlingen. Wenige Monate nach dem Anschlag vermittelte Jean Ziegler, damals frisch im Nationalrat, zwischen der PLO und Bundesrat und Aussenminister Pierre Graber. In einem Stillschweigeabkommen wurde der Schweiz versichert, dass sie von weiteren Anschlägen verschont würde. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 10. Im Gegenzug sollte die Schweiz der PLO bei der internationalen Anerkennung in Genf helfen. In Würenlingen wurde ein Jahr nach dem Anschlag ein Denkmal auf der Absturzstelle errichtet (Im Bild noch verhüllt). Doch noch sollte Würenlingen nicht der letzte Berührungspunkt der Schweiz mit einer palästinensischen Guerilla-Gruppe sein. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 10. Im September 1970 wurden drei Flugzeuge auf dem Weg nach New York und London von der PFLP entführt und auf dem Flugfeld «Dawson's Field» in der Nähe von Zarqa in der jordanischen Wüste zwangsgelandet. Die Passagiere und die Crews von drei Flugzeugen wurden als Geiseln gehalten – die 310 Geiseln blieben jedoch unverletzt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 10 von 10. Die Geiseln wurden evakuiert, die Maschinen mit Zeitbomben gesprengt. Es gab einen Deal: Die Palästinenseraktivistin Leila Khaled wurde freigelassen – ebenso die drei Attentäter von Kloten. Die letzten Schweizer Geiseln kehrten am 26. September in die Heimat zurück. Vier Tage später flogen die drei Attentäter nach Kairo, wo sich ihre Spur verliert. Bildquelle: Keystone.