Drei Jahre wurde verhandelt, nun steht ein Abschluss kurz bevor. Am Freitag unterzeichnen die Schweiz und China ein so genanntes Memorandum of Understanding, eine Art Vorvertrag für ein Freihandelsabkommen. Chinas Ministerpräsident Li Keqiang wird dafür in Bern erwartet.
Die Schweiz wird erst das zweite europäische Land sein, das ein Abkommen dieser Art mit China abschliesst. «Die Schweiz geniesst in China einen hervorragenden Ruf», sagt Peter Achten. Er ist Asien-Mitarbeiter von SRF in Peking. Nebst den gängigen Klischees wie Schokolade, Uhren und schöne Berge stehe die Schweiz auch für Qualität, Innovation und Zuverlässigkeit.
«Die Schweiz gehört zu den Grossinvestoren»
Intensivieren möchte China den Austausch und die Zusammenarbeit im Finanzsektor. Die Schweiz verfüge über einen hochentwickelten Finanz- und Bankenplatz sowie entsprechende Management-Erfahrung. Li will eine verstärkte Kooperation in der Finanzaufsicht, Wirtschaftspolitik und im Kapitalmarkt.
«Die Schweiz hatte in der Volksrepublik China immer eine Vorreiterrolle in Bezug auf die Aussenbeziehungen zu Europa», sagt Achten. Die Schweiz hat 1950 als eines der ersten europäischen Länder diplomatische Beziehungen zu China aufgenommen. Hinzu kommt: Das erste Joint Venture in der Industrie hat China ebenfalls mit der Schweiz realisiert. Dabei ist es nicht geblieben: «Die Schweiz gehört heute in China zu den Grossinvestoren», sagt Achten.
Trotz besten Beziehungen zwischen Peking und Bern – Chinas Umgang mit den Menschenrechten gab im Westen immer wieder Anlass zu Kritik. Hat da die Schweiz einfach weggeschaut? «Die Schweiz hat das Thema der Menschenrechte immer wieder angesprochen, seit sie diplomatische Beziehungen hat», betont Achten.
Die Schweiz als Testmarkt
Es sei ein Dialog in Gang über die Menschenrechte. Der Journalist verweist auf die Präambel des Freihandelsabkommens. «Darin stehen Worte wie Freiheit, Gerechtigkeit, Wohlstand und Demokratie.» Für schweizerische Menschenrechtsorganisationen sei dies wohl nur ein Lippenbekenntnis. Doch im Kontext eines Freihandelsabkommens mit China sei dies ein Erfolg der Schweizer Diplomatie.
«Für chinesische Unternehmer ist die Schweiz ein Testmarkt für die Qualität. Unter chinesischen Unternehmern sagt man: Hat man in der Schweiz Erfolg, so hat man auf der ganzen Welt Erfolg», erklärt Achten.
Nach seine Worten gibt es zudem einen handelspolitischen Grund für das Abkommen. Die Schweiz sei so etwas wie die Hintertür zur Europäischen Union. «Aus chinesischer Sicht ist die Schweiz wie ein Brückenkopf in Europa.» Die Schweiz habe sich dadurch einen grossen Vorteil verschafft, so Achten: «Das Freihandelsabkommen, das China für die EU vorbereitet, wird wohl nicht besser sein als das Schweizer Abkommen.»
Staatsbesuch beginnt am Donnerstagabend
Der chinesische Ministerpräsident weilt von Donnerstagabend bis Samstag in der Schweiz. Empfangen wird er von Bundesrat Didier Burkhalter. Geplant sind zudem Gespräche mit Bundespräsident Ueli Maurer und Bundesrat Johann Schneider-Ammann. Es sollen diverse Abkommen unterzeichnet werden.
Li ist seit Mitte März 2013 Ministerpräsident der Volksrepublik China. Zuvor war er fünf Jahre stellvertretender Ministerpräsident. In dieser Funktion hatte er 2010 die Schweiz besucht. Unter anderem nahm er damals am Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos teil.