Der Mordfall Ignaz Walker beschäftigt die Justiz seit sechs Jahren. Vier Mal wurde der Fall gerichtlich behandelt. Die Aufhebung des Urteils durch das Bundesgericht und neue Beweise, die Walker entlasten, brachten eine überraschende Wende. Ein Überblick.
4. Januar 2010: Vor Ignaz Walkers Nightbar Taverne in Erstfeld fällt ein Schuss aus einer Handfeuerwaffe. Der Holländer Johannes Peeters sagt mit 2,58 Promille Alkohol im Blut aus, Ignaz Walker habe auf ihn geschossen. Walker wird verhaftet, bestreitet aber seine Schuld. Am 5. Januar wird er wieder auf freien Fuss gesetzt und behauptet wenig später, Peeters habe sich bei ihm gemeldet und sich für die «falsche Belastung» entschuldigt. Der Holländer habe ihn nur auf Druck der Urner Polizei als Täter genannt. Der Hauptbelastungszeuge wird nicht mehr befragt.
Januar 2010: Polizist M. stellt auf der vor der Taverne gefundenen Patronenhülse Walkers DNA fest. M. hatte den Abteilungschef der Kantonspolizei Uri vorgängig gebeten, ihn von der Spurensicherung zu dispensieren. Als Grund gab M. seine mögliche Befangenheit an. Er war 2006 von Walker in dessen Nightbar wegen Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung angezeigt worden. Trotzdem muss M. kriminaltechnische Abklärungen treffen.
12. November 2010: Auf Walkers damalige Frau Nataliya K. werden in Erstfeld drei Schüsse abgegeben – aus derselben Waffe wie im Januar 2010. Das Opfer überlebt, wird aber schwer verletzt. Ignaz Walker kommt in Untersuchungshaft, weil der Verdacht aus dem Umfeld des Opfers geäussert wird, er könnte der Auftraggeber des Anschlags auf Nataliya K. sein.
22. Dezember 2010: Die Urner Polizei verhaftet den damals 22-jährigen Serben Sasa Sindelic als mutmasslichen Auftragsschützen.
24. Oktober 2012: Nach einem sechstägigen Prozess verurteilt das Landgericht Uri Ignaz Walker wegen versuchten Mordes in Mittäterschaft (Fall Nataliya K.) und wegen Gefährdung des Lebens (Fall Johannes Peeters) zu einer Gefängnisstrafe von 10 Jahren. Auftragskiller Sasa Sindelic muss wegen versuchten Mordes in Mittäterschaft 8½ Jahre hinter Gitter. Beide kündigen an, das Urteil ans Obergericht Uri weiterzuziehen. Wenige Tage vor Beginn der Berufungsverhandlung zieht Sindelic seine Berufung zurück. Die Begründung: Er habe nach dem erstinstanzlichen Urteil und der medialen Vorverurteilung das Vertrauen in die Urner Justiz verloren. Er glaube nicht mehr an eine faire Beurteilung. Zudem wolle er das Risiko einer Strafverschärfung nicht eingehen. Der Staatsanwalt hatte vor Landgericht für 12½ Jahre Gefängnis plädiert.
11. September 2013: Das Obergericht Uri spricht Ignaz Walker im Fall Nataliya K. wegen versuchten Mordes in Mittäterschaft und im Fall Johannes Peeters wegen versuchter vorsätzlicher Tötung schuldig. Es erhöht das Strafmass um 5 auf 15 Jahre Gefängnis. Der Antrag des Verteidigers Linus Jaeggi, Kronzeuge Johannes Peeters nochmals zu befragen, wird abgelehnt. Denn dieser sei «unauffindbar».
10. Dezember 2014: Das Bundesgericht heisst eine Beschwerde von Walker gut, hebt das Urteil auf und schickt den Fall zur Neubeurteilung ans Obergericht Uri zurück. Eine allfällige erneute Verurteilung Walkers darf sich gemäss Lausanner Richter nicht mehr auf die auf der Patronenhülse gefundene DNA-Spur Walkers abstützen. Das Gericht muss zudem alles daransetzen, Peeters erneut zu befragen. Ansonsten sind dessen Aussagen «besonders vorsichtig und zurückhaltend» zu würdigen.
7. Januar 2015: In einem «Rundschau»-Interview entlastet Sasa Sindelic den als Auftraggeber beschuldigten Ignaz Walker und spricht von einem Mordkomplott. Nataliya K. und deren damaliger Freund hätten den Anschlag inszeniert, um Walker hinter Gitter zu bringen.
29. Januar 2015: Im vierten Anlauf klappt es: Das Haftentlassungsgesuch von Ignaz Walker wird gutgeheissen. Im November 2010, im März 2011 und im Januar 2013 war er abgeblitzt, und zwar jeweils entweder mit der Begründung des dringenden Tatverdachts oder vor allem wegen Kollusions- und/oder Fluchtgefahr.
5. Mai 2015: Walker wandert erneut hinter Gitter. Der Grund: Das Bundesgericht hat die von der Staatsanwaltschaft des Kantons Uri gegen Walkers Haftentlassung erhobene Beschwerde gutgeheissen und die Verdunkelungsgefahr als zu gross taxiert.
22. September 2015: Nach einem von Amtes wegen eröffneten Haftprüfungsverfahren kommt die Verfahrensleitung des Urner Obergerichts zum Ergebnis, «dass die Fortführung der Sicherheitshaft wegen Kollusionsgefahr mittlerweile nicht mehr verhältnismässig ist». Walker kommt wieder auf freien Fuss.
19. Oktober 2015: Vor Obergericht beginnt die zweite Berufungsverhandlung. Sasa Sindelic hält an seiner im Interview geäusserten Version fest. Zu Spekulationen, wonach es sich beim unbekannten Schützen um seinen Bruder gehandelt haben könnte, äussert sich der Serbe nicht. Der Prozess wird am 30. Oktober mit dem Schlusswort von Ignaz Walker (vorläufig) beendet.
21. Oktober 2015: Es stellt sich heraus, dass der holländische Hauptbelastungszeuge Johannes Peeters im Juli 2015 in Frankreich zu drei Jahren Haft verurteilt wurde wegen verschiedener Drogendelikte. In den Einvernahmen gestand Peeters «Architekt» eines Drogenhandels seit 2009 zwischen Holland und der Schweiz zu sein. Die Staatsanwaltschaft Uri war seit Februar 2013 durch ein Rechtshilfeersuchen Frankreichs über dieses Strafverfahren und seinen Aufenthaltsort in einem Untersuchungsgefängnis in Douai/F orientiert. Die Staatsanwaltschaft Uri unterliess es jedoch das Obergericht Uri über diese Kenntnisse zu informieren.
22. Februar 2016: Die Verhandlung wird erneut aufgenommen, weil das Obergericht Uri einen im Herbst gestellten Antrag von Verteidiger Linus Jaeggi um Abnahme weiterer Beweise zur Person von Johannes Peeters gutgeheissen hatte. Den Parteien waren in der Zwischenzeit mehrere hundert Seiten zur Person des mittlerweile verstorbenen Hauptbelastungszeugen zugestellt worden. Am 24. Februar wird die zweite Berufungsverhandlung definitiv abgeschlossen.
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