Stephan Walder, Staatsanwalt und Leiter des Zürcher Kompetenz-Zentrums Cybercrime erklärt, wie man ins Darknet gelangt. Es ist ein Kinderspiel. Die nötige Software gibt’s überall zum Herunterladen.
«Wenn Sie diese Software heruntergeladen haben, sieht es ähnlich aus wie ein üblicher Browser. Hier ist man relativ anonym unterwegs», sagt der Zürcher Staatsanwalt. Zwei Mausklicks und wir landen in einem virtuellen Einkaufsladen: Drogen, falsche Pässe, Kinderpornografie, Computer-Viren und Waffen gibt es da.
«Hier bekommen Sie praktisch alles», sagt auch Walder. Er findet auf Anhieb dasselbe Pistolenmodell, das der Münchner Attentäter gekauft hatte: «Jetzt gerade in der Aktion wäre eine Glock, neun Millimeter, das würde Sie frei Haus geliefert 500 britische Pfund kosten.»
Bezahlen in Bitcoins
Ob der ausländische Anbieter wirklich liefern würde ist eine andere Frage. Manche Anbieter liefern tatsächlich. Bezahlt wird mit der virtuellen Internet-Währung Bitcoin geliefert per Post oder per Kurier «Ein Drogenkurier übernimmt gegen Entgelt das Risiko der Einfuhr in die Schweiz. Sie können sich diese Waffe irgendwo an einem Punkt in Zürich liefern lassen.»
Käufer und Verkäufer bleiben geschützt, versteckt hinter der Verschlüsselung im Netz. Doch das Internet sei nicht ein rechtsfreier Raum, sagt Walder. «Ich wehre mich gegen diese Behauptung, das Internet sei ein rechtsfreier Raum. Es ist nur so, dass das Recht im Internet weniger durchgesetzt wird. Es ist auch schwieriger.»
Im Darknet sei es besonders schwierig. Die unzähligen verschlüsselten Foren und Plattformen lassen sich kaum überwachen. Stattdessen versucht die Polizei die gehandelte Ware im «echten Leben» abzufangen, im Verteilzentrum der Post etwa. Im Darknet selbst ermitteln Walders Leute zum Beispiel in Fällen von Cyber-Erpressung, wenn Hacker kommerzielle Webseiten angreifen. Ihre Attacken beenden sie erst, wenn Lösegeld fliesst. Ihre Dienste bieten die Hacker in geschlossenen Darknet-Foren an.
Nur über Vertrauenlsleute kommt man rein
«Wenn ich beispielsweise auf eine russische Seite gehe, komme ich nicht einfach so rein. Da muss mich ein Administrator reinnehmen oder ich muss auf Empfehlung eines Mitglieds eingeladen werden.» Die Ermittler müssen sich ebenfalls als Figuren der Schattenwelt ausgeben, um hinein zu gelangen: Staatsanwalt Walder kann solche verdeckte Ermittlungen bewilligen, das Zwangsmassnahmengericht muss sie absegnen.
Unterwegs als verdeckte Ermittler im Darknet sind Kantons- und Stadtpolizisten mit falscher Identität und falschen Profilen auf Facebook oder anderen Sozialen Medien «Sie müssen ein paar Freunde haben dort, sie müssen authentische Bilder haben, die nicht einer echten Person ähneln, und Sie müssen kommunizieren. Wenn ein Profil länger tot ist, wird jedem klar, dass das ein Fake-Profile ist.»
Verdächtig als Fake-Profil macht sich auch, wer nur zu Bürozeiten online ist. Die Darknet-Ermittler arbeiten deshalb auch nachts. Sie versuchen Täter zu identifizieren und vielleicht ein Treffen in der realen Welt zu arrangieren. Drei verdeckte Ermittlungen hat Walder zurzeit am Laufen. Eine neue, junge Polizisten-Generation ist hier am Werk. «Das sind Internet-Natives. Die haben gar nie ein Leben ohne Internet gekannt. Sie bringen ein ganz anderes Level und ein ganz anderes Bewusstsein mit. Das ist vermutlich der Ermittler der Zukunft.»
Zwei Drittel aller Verfahren enden ergebnislos
Die Cyber-Polizisten haben bei weitem nicht immer Erfolg. Zwei Drittel aller Strafverfahren hat das fünfköpfige Team des Kompetenzzentrums Cybercrime einstellen müssen letztes Jahr. Die Quote ist höher als bei gewöhnlichen Strafverfahren.
Manchmal liefern ausländische Behörden nötige Informationen zu langsam, manchmal fliegt ein verdeckter Ermittler auf, manchmal sind die Täter schlicht zu gewieft, zu professionell getarnt. «Man muss die ganze Strafverfolgung sportlich betrachten: Wir tun alles dafür, diesen Gegner zu identifizieren. Wenn es einmal nicht klappt, dann konzentrieren wir uns halt auf den nächsten.» Gegenspieler im Darknet gibt es genug.