- Es ist nicht bewiesen, dass «Killerspiele» einen entscheidenden Einfluss bei schweren Gewalttaten haben.
- Täter nutzten Games teilweise für das Ausleben ihrer Gewalt-Fantasien, bevor sie ein Verbrechen begingen.
- Viel wichtiger als «Killerspiele» war bei Amokläufern, dass sie sich schon über längere Zeit in einer Entwicklung befunden haben, die gestört ist.
Verbieten oder erlauben? Harmlos oder aggressionsfördernd? Seit den 80er-Jahren wurden über 200 Studien zur Gewalt in Videospielen und ihren Auswirkungen gemacht.
Die Forscher sind sich nur in wenigen Punkten einig, häufig streiten auch sie sich. Manche interpretieren gar gleiche Datensätze ganz unterschiedlich. Ein Vertreter der «Ist-schädlich-These» ist Craig A. Anderson. Er schreibt: Alle grossen relevanten Forscher-Organisationen stimmen zu, dass der Konsum von Medien mit Gewaltdarstellung ein Risikofaktor für aggressives Verhalten ist. Zusammen mit anderen Faktoren erhöht der Konsum das Risiko für ein aggressives Verhalten.
Diese These relativiert Christopher J. Ferguson. Er fragt: «Do Angry Birds Make for angry children?» Und seine Antwort: 101 Studien deuten darauf hin, dass Games mit Gewaltinhalten minimalen Einfluss auf die Nutzer haben – punkto Aggressivität, sozialem Verhalten, Leistung, Stimmung und Konzentration.
Da sind Forscher gleicher Meinung
Es gibt allerdings auch gemeinsame Nenner, die viele unterschreiben würden, auch Craig und Ferguson: Wissenschaftler haben beispielsweise bisher keine Belege dafür gefunden, dass «Killerspiele» einen entscheidenden Einfluss bei schweren Gewalttaten haben. Zu diesem Schluss kommt auch eine Expertengruppe der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, die mehrere Studien untersuchte.
«Killerspiele» sind also nicht primär schuld an Gewalttaten, Wissenschaftler gehen heute vielmehr davon aus, dass sich Massenmörder an Schulen schon über längere Zeit in einer gestörten Entwicklung befunden haben. Öffentliche Demütigungen, soziale Ausgrenzung sowie Gewalt- und Rachefantasien spielen bei den Tätern eine wichtige Rolle. Weitere gewichtige Risikofaktoren sind Persönlichkeitsstörungen und die Verfügbarkeit von Waffen.
Olivier Steiner, Professor für Soziale Arbeit an der Fachhochschule Nordwestschweiz, unterstützt diesen Befund: «Gewalttaten sind immer durch eine Kombination von sozialen und persönlichen Belastungen bedingt – Medien wie gewaltdarstellende Computerspiele sind dabei nur ein Teil des Puzzles.»
Forscher weisen weiter darauf hin, dass die Täter betreffende Medien teilweise für das Ausleben ihrer Gewalt-Fantasien nutzten, bevor sie ein Verbrechen begingen. Aggressionen werden also manchmal zuerst in Medienwelten in die Tat umgesetzt, bevor es zu realen Verbrechen kommt. «Killerspiele» dürften also nicht die Ursache für Gewalttaten sein, könnten aber als Katalysatoren wirken.
Welche Medien, ist nicht entscheidend
Schliesslich zwei erstaunliche Befunde: Es gibt Studien, die zeigen, dass gesteigerte Aggressionen auch mit dem Schwierigkeitsgrad zusammenhängt. Wenn Spieler absichtlich frustriert werden – etwa durch eine schlechte Steuerung – werden sie ebenfalls aggressiv. Nicht nur Gewaltdarstellungen können also offenbar Aggressionen auslösen.
Und die zweite Überraschende Aussage der Forscher: Es spielt offenbar keine Rolle, welcher Medientyp konsumiert wird. Ob Gewaltfilm, «Killerspiel» oder Standbild. Alle rufen vergleichbare Aggressionen hervor.
Die deutsche Expertengruppe schreibt: Es konnte sogar gezeigt werden, dass blosse Standbilder oder einzelne Wörter wie «Faust» oder «Granate» in ähnlichem Mass aggressive Gedanken und Verhaltensweisen hervorrufen können wie komplexe und grafisch realistische Gewaltszenen in Filmen oder Computerspielen.
Dieser Befund ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass Nutzer bei Killer-Games aktiv virtuelle Tötungshandlungen vornehmen, während sie Gewalt bei anderen Medien passiv konsumieren. Olivier Steiner gibt allerdings zu bedenken: «Die Spiele werden immer realistischer, Virtual Reality Brillen stehen vor dem Durchbruch. Es muss wissenschaftlich untersucht werden, was dies für die Wirkung von Gewaltdarstellungen bedeutet.»