Was nach Science-Fiction tönt, ist in einigen Ländern bereits flächendeckend im Einsatz: Personentracking. Der Eidgenössische Datenschützer Hanspeter Thür warnt in seinem Tätigkeitsbericht davor, dass solche Systeme bald auch in der Schweiz installiert werden könnten.
Mit Personentracking analysieren Unternehmen das Verhalten von Kunden. In Detailhandelsgeschäften scannen Kameras die Augenbewegungen und halten fest, welches Produkt wie lange betrachtet wird. Die erfassten Personen können nach Alter, Geschlecht oder ethnischer Herkunft kategorisiert werden. Andere Systeme analysieren anhand von Handy-Signalen die Bewegungen einer Person in einem Geschäft.
Es fehlt an Transparenz
«Ziel ist es, Bedürfnisse herauszufinden, bevor der Kunde selber davon weiss», sagte Thür anlässlich der Präsentation seines Jahresberichts. Das Problem dabei aus datenschutzrechtlicher Sicht: Es fehlt an Transparenz und an der gemäss Gesetz notwendigen Einwilligung der Betroffenen.
Noch kann es Thür bei der Warnung belassen. Nach seinen Angaben werden in der Schweizer derzeit keine Personentracking-Systeme in Unternehmen eingesetzt. Einige Firmen hätten jedoch bereits Interesse gezeigt. Welche es sind, ist allerdings auch dem obersten Schweizer Datenschützer nicht bekannt.
Falsche Schlüsse
Eine andere Überwachungs-Methode macht Thür ebenfalls grosse Sorgen: In «Big Data», der systematischen Auswertung riesiger Datenbestände, sieht er eine «massive Gefährdung der Privatsphäre». Problematisch sei dabei vor allem, dass auf diesem Weg nur Wahrscheinlichkeiten aus Mustern, aber keine gesicherten Erkenntnisse oder Kausalitäten abgeleitet werden könnten.
Wenn es um die Wahrscheinlichkeit gehe, dass jemand eine Glatze habe, möge das harmlos scheinen, heisst es im Jahresbericht. Aber: «Wenn der zu einem Muster führende Algorithmus Aussagen zu einem möglichen kriminellen Verhalten von Menschen macht, kann dies für den Einzelnen verheerend sein.»
Thür drängt darum auf eine Revision des Datenschutzgesetzes. Die Nutzung von «Big Data» habe längst begonnen, dadurch seien grundlegende Bestimmungen des Gesetzes in Frage gestellt. Es brauche dringend eine Expertengruppe, welche die Situation analysiere und Lösungen vorschlage.
«Recht auf Vergessen»
Weitere Themen waren der Umgang von Krankenkassen mit Patientendaten unter dem neuen DRG-Regime, die Diskussion um das «Recht auf Vergessen», welche ein Urteil des EU-Gerichtshofs gegen Google ausgelöst hatte oder die AHV-Nummer.
Thür wehrt sich weiterhin dagegen, dass diese als generelle Identifikationsnummer verwendet wird, weil dadurch die unter Umständen missbräuchliche Verknüpfung verschiedener Datenbestände ermöglicht werde.
Öffentlichkeitsprinzip schafft Transparenz
Ausserdem warnte Thür erneut davor, das Öffentlichkeitsprinzip aufzuweichen. Seit 2006 muss die Bundesverwaltung fast alle Dokumente der Öffentlichkeit zugänglich machen, das entsprechende Gesetz wird zurzeit evaluiert.
Der Datenschützer verwies auf den aktuellen Skandal im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) um mutmassliche Korruption bei der Auftragsvergabe. Der Fall zeige, wie wichtig Transparenz in diesem Bereich sei.
Problematisch findet Thür auch das neue Nachrichtengesetz, welches vor dem Parlament liegt. Aus Sicht des Datenschützers ist es heikel, dass der Nachrichtendienst künftig Informatiksysteme und -netze manipulieren dürfte.