Ahmad Shawa kommt nicht zum ersten Mal zu Personalberaterin Christine Jost beim RAV in Burgdorf. Wie alle anderen Stellensuchenden kommt er alle vier bis sechs Wochen bei ihr vorbei. Nach einer kurzen Begrüssung fragt sie ihn, wie die Suche im letzten Monat verlief.
Wie viele Flüchtlinge so wie Shawa vom RAV unterstützt werden, wird in keiner Statistik erfasst. Denn die Flüchtlinge werden nicht gesondert registriert. Doch von den bis zu 1000 Flüchtlingen, die der Kanton Bern jedes Jahr in den Arbeitsmarkt integrieren muss, werden nur wenige den regionalen Arbeitsvermittlungszentren zugeführt – etwa 20 pro Monat. Denn bei den Berner RAVs können sich nur jene Flüchtlinge melden, die vermittelbar sind, die also arbeiten können, wollen und vor allem dürfen.
Keine Sonderbehandlung für Flüchtlinge
Und: Sie müssen über ein bestimmtes Deutsch-Niveau verfügen. Eine Sonderbehandlung als Flüchtlinge bekommen sie bei ihr nicht, sagt RAV-Beraterin Christine Jost. «Es ist einfach ein Mensch, der vor mir sitzt, mit einem Rucksack und mit Möglichkeiten. Wir schauen, dass wir letzteres optimal nutzen können, damit er möglichst schnell eine Arbeitsstelle findet.»
Rund ein Viertel der Flüchtlinge, die bei uns sind, finden durch uns eine Stelle.
Und das klappt am ehesten im Gastro-Bereich, in der Pflege oder der Industrie. Meist sind es Hilfsarbeiten. Doch längst nicht immer ist die RAV-Beratung erfolgreich. Der Arbeitsmarkt habe nicht auf diese Leute gewartet, gibt Remo Frei zu bedenken. Er ist im Kanton Bern zuständig für die Arbeitsvermittlungszentren: «Rund ein Viertel der Flüchtlinge, die bei uns sind, finden durch uns eine Stelle.» In Anbetracht des Umfeldes und den Schwierigkeiten hält Frei das für eine gute Quote.
Strahms Forderungen unrealistisch für RAVs
Was aber, wenn die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren sämtliche Flüchtlinge bei der Arbeitsintegration unterstützen würden, wie dies Ökonom Rudolf Strahm fordert?
Derzeit sei das noch unrealistisch, sag Remo Frei, zumindest in den bestehenden Strukturen. «Wenn es einen grossen Anstieg gebe, müssten wir die Ressourcen, die Infrastruktur und das Wissen, wie mit den Flüchtlingen umzugehen ist, zu Verfügung stellen können.» Denn Flüchtlinge zu coachen, die kaum Deutsch sprechen, die mit den Gepflogenheiten in der Schweiz noch kaum vertraut sind, erfordere mehr Zeit, mehr Personal und vor allem spezifisches Fachwissen.
Die Integration von Flüchtlingen ist schwieriger, als die der übrigen Stellensuchenden.
«Die Integration von Flüchtlingen ist schwieriger, als die der übrigen Stellensuchenden.» Denn die Flüchtlinge kommen mit einem belastenden Hintergrund. Es sei schwieriger für sie, sich in die Gesellschaft zu integrieren und das sei eine Hürde, um eine Stelle zu finden, sagt Frei. Und das heisst: Ein grosser Teil der Flüchtlinge hat höchstens im geschützten, sogenannten zweiten Arbeitsmarkt Chancen auf eine Beschäftigung. Da haben die RAVs im Kanton Bern allerdings derzeit nicht viel zu bieten. Denn bis jetzt sollten sie dafür sorgen, dass die Stellensuchenden im ersten Arbeitsmarkt einen Job finden.
Und noch etwas unterscheidet die Flüchtlinge von den «normalen» Stellensuchenden: Die meisten Flüchtlinge haben nie Arbeitslosenbeiträge einbezahlt, also kann man ihnen auch keine Taggelder kürzen, wenn sie nicht kooperieren.
Man kann sie einzig von der Beratung ausschliessen. Für Ahmad Shawa, den 30-jährigen Syrer, stehen die Zeichen gut, ist seine RAV-Beraterin Christine Jost überzeugt. «Nun hoffe ich nur noch, dass ein Arbeitgeber bereit sein wird, ihm diese Chance zu geben.» Den nächsten Termin beim RAV haben Christine Jost und Ahmad Shawa aber bereits abgemacht.