Nachdem die Zahl der Asylgesuche im Sommer vor zwei Jahren mit knapp 2800 den Höchststand erreicht hatte, gingen die Zahlen stetig zurück. Doch jetzt zeichnet sich eine Trendwende ab, wie Mario Gattiker, Direktor des Bundesamts für Migration (BFM), gegenüber «10vor10» bestätigt. Im Juni wurden über 2100 eingereicht. Das sind 400 mehr als im Vormonat – und so viele wie seit Ende 2012 nicht mehr.
Rettungsaktionen mit Sogwirkung
Viele Flüchtlinge versuchen über die Meerenge zwischen Tunesien und Italien nach Europa zu kommen. Hauptgrund für die Zunahme hat laut Mario Gattiker die unsichere Lage in Libyen – aber auch die von der italienischen Regierung ins Leben gerufene humanitäre Operation «mare nostrum».
Nach tragischen Bootsunglücken reagierte die italienische Regierung und rief gross angelegte Rettungsaktionen ins Leben. Diese sollen mitunter das Risiko einer Überquerung reduzieren. «Mare nostrum» habe aber eine Sogwirkung auf Flüchtlinge aus Afrika, so Gattiker. Eine humanitäre Rettungsaktion und Schlepperaktivitäten spielten sich hier in die Hände, sagt Gattiker – und führten schlussendlich zu einem Anstieg der Asylgesuche in der Schweiz.
Syrer und Eritreer werden bleiben
Die meisten Asylgesuche werden in der Schweiz von Personen aus Syrien und Eritrea gestellt. Alleine aus Eritrea sind in diesem Monat 1000 Asylbewerber eingereist – trotz schärferen Asylbestimmungen. Und schon jetzt zeichnet sich ab: Diese Flüchtlinge werden wohl in der Schweiz bleiben. Aufgrund der dramatischen Situation in Syrien wie auch in Eritrea ist laut Mario Gattiker klar, «dass sie im Aufnahmeland bleiben werden.»
«Uns bereitet der relativ tiefe Anteil der Dublin-Fälle Sorgen», sagt auch Georg Carl, Abteilungsleiter Asyl- und Massnahmenvollzug des Kanton Graubünden. Personen also, die nicht in einem schnellen Verfahren in das Erstaufnahme-Land zurückgeschickt werden können.
Weitere Zunahme erwartet
Noch will Gattiker nicht von einer Flüchtlingswelle sprechen. Dennoch müsse sich die Schweiz wappnen. Gefordert seien insbesondere die Kantone: «Diese müssen mehr Asylunterkünfte zur Verfügung stellen», so Gattiker.
In verschiedenen Kantonen laufen bereits Vorbereitungen, etwa auch im Kanton Aargau. «Wir sind bereits daran zu schauen, dass wir neue Unterkünfte eröffnen können», sagt Regierungsrätin Susanne Hochuli (Grüne). Die Aufgabe sei nicht einfach, aber das Ziel klar: «Wir müssen die Plätze haben. Und wir werden sie haben.»
Beim BFM rechnet man damit, dass die Anzahl Gesuche auch in den nächsten Monaten weiter ansteigen wird. Bis Ende Jahr will der Bund eigene Asylunterkünfte für insgesamt 5000 Plätze bereit stellen.