Die Sonderposition der Schweiz im EU-Gefüge stösst Martin Schulz sauer auf. Der EU-Parlamentspräsident befürchtet, dass zentrifugale Kräfte in EU-Staaten die Schweiz als Vorbild nehmen könnten, aus der EU austreten und dann bilaterale Abkommen verhandeln und keine Beiträge mehr zahlen möchten. Dies sei eine Gefahr für die EU, sagte er im Interview mit der «Handelszeitung».
«Die Schweiz stellt an Europa folgenden Anspruch: Lasst uns an allem teilnehmen, was uns ökonomisch, ökologisch, verkehrspolitisch und finanzpolitisch interessiert», so Schulz. In den Augen der EU sei dies eigentlich eine «Vollmitgliedschaft». Aber das wolle die Schweiz nicht.
Schulz anerkennt zwar, dass eine EU-Mitgliedschaft für die Schweiz einen Souveränitätsverlust bedeuten würde und ebenso die Tatsache, dass ein solcher «im Moment bar jeder Realität» ist. Die Schweiz müsse sich «im Notfall» aber im Klaren darüber sein, dass die EU sage: «Die Spielregeln sind für alle gleich, aber wenn ihr die Spielregeln nicht befolgen wollt, dann müssen wir uns überlegen, wie es weitergehen soll.»
Beide Positionen sind legitim
Schulz plädiert vielmehr für ein «anderes Verständnis füreinander». Der EU-Parlamentspräsident spricht sich namentlichen in der Steuerfrage für ein Grundsatzabkommen zwischen der Schweiz und der EU aus.
Dass die Schweiz ihren Finanzplatz schützen wolle, sei legitim, sagte der aus Deutschland stammende Sozialdemokrat. Umgekehrt aber hätten Länder, die auf eine nachhaltige Steuergerechtigkeit angewiesen seien, das Recht, Steuerflucht zu bekämpfen.
«Hat man diese beiden Positionen als Ausgangspunkt formuliert, kann man sich überlegen, wie weit man sich mit Transparenzverfahren oder Meldeverpflichtungen annähern kann, damit das Schweizer Bankgeheimnis nicht völlig ausgehöhlt wird.»
«Keine unüberwindbaren Probleme»
Beide Seiten sind derzeit bemüht, wieder Schwung in die Diskussion um offene Streitigkeiten zu bringen. EDA-Staatsekretär Yves Rossier identifizierte mit seinem europäischen Amtskollegen David O'Sullivan bei einem Treffen in Brüssel mindestens drei Möglichkeiten, die institutionellen Fragen zu überwinden.
Rossier gab sich zuversichtlich. Er sehe kein Problem, das nicht überwindbar wäre. Es brauche aber Zeit, so das Fazit des Treffens.