SRF News Online: Vor 75 Jahren, am 24. Juli 1938, haben Anderl Heckmair, Wiggerl Vörg, Fritz Kasparek und Heinrich Harrer zum ersten Mal den Eiger via Nordwand bestiegen. Wie schätzen Sie die Leistung der vier Herren ein?
Dani Arnold: Das ist eine grandiose Leistung, vor der ich sehr grossen Respekt habe. Es ist nur schwer vorstellbar, was den vieren damals gelungen ist. Die Leistung zeigt: Sie waren sehr erfahrene und fähige Bergsteiger.
Und mit rudimentärer Ausrüstung.
Die war natürlich einfacher als die heutige. Aber der würde ich keinen allzu grossen Stellenwert beimessen. Diese vier Männer waren körperlich ausgesprochen fit. Das hat sie zum Gipfel über die Nordwand gebracht.
Wie hat sich das Bergsteigen verändert?
Damals ging es vor allem um Ruhm und Ehre. Oftmals hatten die Menschen keinen guten Job. Das Bergsteigen ermöglichte ihnen einen Weg nach oben – in der Gesellschaft. Es war ihre Chance, sofern man dabei nicht gestorben ist. Heute steht das Bergsteigen unter einem anderen Stern. Für mich ist das Heimkommen das wichtigste Ziel. Nicht der Ruhm.
Was macht die Eigernordwand so gefährlich?
Auf der klassischen Route sind Bergsteiger der Gefahr von Steinschlägen ausgesetzt. Das war damals so – und ist heute nicht anders. Trotzdem: Die Eigernordwand ist heute gefährlicher als vor 75 Jahren.
Gefährlicher?
Schuld ist der Permafrost. Was früher gut gehalten hat, weil gefroren, droht heute den Berg hinunter zu stürzen. Das kann sehr schnell sehr gefährlich werden. Deshalb halte ich mich mit meinen Bergsteiger-Kollegen an die sogenannte Null-Grad-Celsius-Grenze. Liegt sie zu weit oben, beispielsweise auf 4000 Metern über Meer, dann ist der Weg zu riskant und wir brechen nicht auf.
Wenn Sie sich an Ihr erstes Mal durch die Nordwand erinnern, dann ...
... war das ein grandioses Gefühl. Man glaubt, etwas Aussergewöhnliches erreicht zu haben. Mit grossem Respekt bin ich das Projekt angegangen. Ich habe mich intensiv darauf vorbereitet, mit 22 stand ich schliesslich oben. Inzwischen sind es acht Mal.
Die meisten tödlichen Unfälle am Eiger ereignen sich in der Nordwand. Wer scheitert heute?
Wer die Wand unterschätzt. Wenn man sich gut und seriös vorbereitet, kann eigentlich nichts passieren. Auch dank Wetterinformationen, wie sie Bergsteiger von damals nicht kannten.
Dass die Wand unterschätzt wird, dazu haben sicherlich auch Speedbergsteiger wie ich beigetragen. Manch einer denkt vielleicht: «Wenn der Arnold den Gipfel via Nordwand in 2,5 Stunden erreicht, kann das ja nicht so schwer sein.» Das jedoch ist heikel.
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Bild 1 von 5. Heinrich Harrer, Ludwig Voerg, Andreas Heckmair und Fritz Kasparek (v.l.) haben den Gipfel über die Nordwand bezwungen. Was in einer Gemeinschaftsarbeit endete, begann im Konkurrenzkampf. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 5. Harrer (im Bild) und Kasparek starteten bereits einen Tag vor den beiden Deutschen. Da letztere aber die bessere Ausrüstung besassen, holten sie die Österreicher schnell ein. Statt sich am Berg gegenseitig zu gefährden, schlossen sich die beiden Teams zusammen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 5. Der Versuch der Österreicher und Deutschen war im Tal ein Medienereignis. Die Zuschauer rechneten eigentlich mit einer neuerlichen Tragödie, nachdem schon mehrere Menschen zuvor ihr Leben am Berg verloren. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 5. Die Ausrüstung von damals: Dank der Steigeisen, die Heckmair für sich und seinen Kollegen Vörg besorgte, gelang ihnen ein schneller Durchstieg durchs Eis. Deshalb auch konnten sie die beiden Österreicher einholen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 5. 1988, fünfzig Jahre nach ihrer Erstbesteigung, enthüllen Heckmair (l.) und Karrer einen Gedenkstein, der der Toten am Berg erinnert. Bildquelle: Keystone.