SRF: Die SVP kämpft allein gegen den Bundesrat, die Wirtschaft und alle
anderen Parteien. Gefallen Sie sich in der Rolle «Wir gegen den Rest»?
Toni Brunner: Nein. Mir wäre lieber, wir hätten Verbündete. Aber leider werden sowohl die Zuwanderung wie auch die Personenfreizügigkeit schöngeredet.
Ihre Hauptforderung sind Kontingente. Da stellt sich die Frage: Wer definiert solche jährlichen Höchstzahlen?
Letztlich der Bundesrat, die Verwaltung – in einem Dialog mit der Wirtschaft. Übrigens sind Kontingente keine Erfindung der SVP. Wir haben Kontingente mit Drittstaaten, wir hatten sie vor der Personenfreizügigkeit und haben sie aktuell auch mit Bulgarien und Rumänien.
Wie viele sollen denn kommen pro Jahr?
Wir haben keine Zahl in die Initiative geschrieben. Das würde dem Problem nicht gerecht.
Aber die Leute wollen von Ihnen eine Zahl hören.
Wir müssen keine Zahl nennen. Worum geht es denn? Es geht doch darum, ob wir die Zuwanderung in Zukunft noch selber steuern, notfalls begrenzen und wieder mehr auf den Arbeitsmarkt ausrichten können.
Wenn Sie keine Zahl nennen, kommen vielleicht gar nicht weniger.
Wir machen die Initiative auch, weil die Situation jetzt masslos geworden ist. Wir haben zu viel Zuwanderung, wir können nicht mehr eingreifen. Wir haben keine Steuerungsmöglichkeiten mehr. Mit unsrer Initiative bekommt die Schweiz die Kompetenz zurück, selber zu steuern, selber zu begrenzen und mehr zu selektionieren.
Sie sprechen von Kompetenz. Der Bundesrat sagt, das Ganze würde unglaublich kompliziert, weil er immer die Kontingente definieren müsste. Er müsste sie auf die verschiedenen Branchen verteilen. Das würde eine Bürokratie kreieren.
Der einzige, der jetzt eine Bürokratie kreiert, ist der Bundesrat – über die flankierenden Massnahmen. Das Kontingentsystem ist erprobt. Es ist auch nichts Neues. Und letztlich liegt es im Ermessen unseres Landes, wie kompliziert wir das gestalten.
Sie sagen, hier behauptet der Bundesrat etwas, das so nicht stimmt.
Es ist schlichtweg falsch. Wir haben ja bereits früher mit Kontingenten gearbeitet. Und möglich würde etwas, was wir heute nicht haben – zum Beispiel saisonale Arbeiter, die dann auch wieder zurückkehren in ihre Heimat. Der Familiennachzug heute bringt eben auch viele andere Leute in die Schweiz.
Das zweite zentrale Thema des Bundesrat sind die europapolitischen Konsequenzen. Ihre Initiative würde automatisch zu einer Aufkündigung der Personenfreizügigkeit führen.
Die Personenfreizügigkeit würde nicht automatisch aufgekündigt. Der Bundesrat bekäme den Auftrag, mit der EU die Personenfreizügigkeit nachzuverhandeln.
Das würde eine Aufkündigung bedeuten.
Das behaupten Sie und das behauptet auch der Bundesrat. Wir kennen solche Drohungen. Die Frage ist: Wer hat ein Interesse an einer solchen Aufkündigung? Die EU kann es nicht sein. Sie exportiert jedes Jahr für 138 Milliarden Franken Waren in die Schweiz, wir nur für 118 Milliarden Franken in die EU.
Sie glauben ernsthaft, dass die EU Hand bietet, dieses Abkommen nachzuverhandeln und einer Einschränkung der Personenfreizügigkeit zustimmt?
Der Bundesrat hätte drei Jahre Zeit für diese Verhandlungen. Er muss durchbringen, dass die Schweiz wieder selber steuern kann und die Zuwanderung in die Schweiz auch selber in die Hand nehmen kann – etwas, das jeder liberale Staat auf dieser Welt tut.
Und wenn der Bundesrat nach diesen drei Jahren kein Resultat hat?
Dann muss er innenpolitisch dafür sorgen, dass auf Gesetzesstufe der Verfassung genüge getan wird.
Und dann müsste er eben das Personenfreizügigkeitsabkommen aufkündigen.
Die Schweiz tut das sicher nicht. Dann wäre die Frage: Würde es die EU tun? Ich habe es Ihnen erläutert: Die profitiert ja davon.
Das Gespräch mit Toni Brunner führte Oliver Washington.