Die alten Ausweichgleise in Italien waren zu kurz, die Tunnels zu niedrig, das Bahnsystem insgesamt zu wenig leistungsfähig. Das ist jetzt vorbei. «Im Jahr 2020 ist Italien bereit», sagt Maurizio Gentile, erster Mann und Geschäftsführer bei der Schienennetzbetreiberin RFI. Italien wird jeden Tag fast hundert zusätzliche NEAT-Züge aufnehmen können.
Einer, der sich für diesen Wandel eingesetzt hat, ist Thomas Baumgartner. Der Südtiroler Fuhrunternehmer leitet ANITA, den Verband des italienischen Transportgewerbes, und sagt: «Es hat hier sicherlich ein Umdenken gegeben.»
Einiges ist besser geworden.
«Vor zwei Jahren hatte man den Eindruck, dass die Schweiz in Norditalien Terminals errichtet und den italienischen Eisenbahnen Verkehr wegnimmt, in einem freien, liberalisierten Markt. Das ist jetzt besser geworden.»
Auch die Strassentransporteure wollen die effizienten Alpentransversalen nutzen, auch sie wollen mit ihrer Fracht Bahnkunden werden. Dieses Argument von Thomas Baumgartner hat in Rom überzeugt. Die Schweiz finanziert mit 120 Millionen Euro den Ausbau des Güterbahn-Flaschenhalses zwischen Bellinzona und Luino.
Nicht alle Probleme beseitigt
Das hat eine jahrelange verkehrspolitische Blockade gelöst. Aber, es bleiben Probleme. Wenn künftig fast 100 zusätzliche Güterzüge pro Tag nach Italien rollen, muss es auch Terminals geben, in denen Güter zwischen Lastwagen und Zügen verladen werden können.
Heute sind die wichtigsten Terminals voll ausgelastet. Das Schlüsselprojekt war bisher die Umnutzung des Güterbahnhofs Milano Smistamento. Gemäss einem Bericht des Bundesrats hätte das Projekt schon nächstes Jahr realisiert sein sollen.
Und Bernhard Kunz, Direktor bei HUPAC, dem grössten Anbieter im alpenquerenden kombinierten Verkehr, hat schlechte Nachrichten. Seit den jüngsten Lokalwahlen sind jetzt die Terminal-Gegner an der Macht. «Die neue Gemeinde hat sich darauf eingeschossen und hat ganz klar auch kommuniziert, dass sie das nicht unterstützen will.» HUPAC zieht jetzt den Terminal Piacenza als Alternativprojekt vor.
Wartezeiten sind unannehmbar.
Doch bei einer Verlagerung ins 70 Kilometer entfernte Piacenza muss der Güterverkehr rund um den ohnehin überlasteten Bahnknoten Mailand herumgeführt werden. Und Alessandro Fattorini, Stabsmitarbeiter im Bundesamt für Verkehr, beisst sich die Zähne aus an einer über hundert Jahre alten Eisenbahnbürokratie in Italien.
In Chiasso müssen Bahnunternehmen 45 Minuten Wartezeit einrechnen für die Verzollung der Züge. «Das ist Unannehmbar», sagt Fattorini, angesichts der Milliardenausgaben für die NEAT und für die Beschleunigung des Bahn- Güterverkehrs durch die Alpen. Und aus den 45 Minuten könnten je nach dem auch 90 werden. Die Folgen sind Verspätungen, und die sind Gift im Transportgeschäft.
Der Bundesrat prüft nun mit einer Studie, was getan werden kann, und erarbeitet Vorschläge. Der Countdown zur Eröffnung des Gotthard-Basistunnels läuft. Doch in der Verkehrsdiplomatie zwischen der Schweiz und Italien werden weiterhin dicke und harte Bretter gebohrt.
gala; serc