Fall 1: Kaderpolizist verprügelt mutmasslich Freundin
Tritte und Schläge am Heiligabend: So soll ein Luzerner Kaderpolizist am 24.12.2010 seine Freundin traktiert haben. Diese flüchtet zu einem benachbarten Ehepaar, welches das blutende Opfer betreut und die Luzerner Polizei ruft. Gegenüber der Rundschau sagt der Nachbar: «Die Polizei hat sehr eigenartig reagiert.»
Wenig später treffen zwei Polizisten ein, sie gehören zur gleichen Einheit wie der Beschuldigte. Dieser ist inzwischen mit einem Auto geflüchtet. Die beiden Polizisten fahren die verletzte Frau ins Spital. Noch im Laufe der Nacht verzichtet die Freundin schriftlich darauf, die Opferhilfe einzuschalten und einen Strafantrag zu stellen. So steht es in der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft, in welche die Rundschau Einsicht hatte.
Für den Kaderpolizisten gab es keine Konsequenzen. Im Gegenteil: Die Polizei sprach dem Beschuldigten eine Beförderung aus, nur vierzehn Monate nach besagtem Heiligabend.
Der Luzerner Polizeikommandant Beat Hensler teilt der Rundschau schriftlich mit, «ein polizeiexterner Untersuchungsbeauftragter» habe ein Administrativ-Verfahren durchgeführt: «Dieser empfahl in seinem Schlussbericht, auf personalrechtliche Massnahmen zu verzichten». Bei dem «polizeiexternen Untersuchungsbeauftragten» handelt es sich aber um einen Mitarbeiter im Rechtsdienst des Luzerner Justizdepartements. Das bestätigt der Sprecher des Departements, Erwin Rast. Das Administrativ-Verfahren wurde also departementsintern und nicht von einem Aussenstehenden geführt.
Zu den Prügelvorwürfen seines Kadermannes schreibt Polizeikommandant Beat Hensler: «Weder strafrechtlich noch im Administrativ-Verfahren wurden Hinweise auf derartige Vorwürfe bestätigt.» Laut der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft hat das Opfer jedoch ausgesagt, der Kaderpolizist habe ihr mehrmals mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen und «mit den Füssen in die Rippengegend und ins Gesicht getreten».
Der Polizeirechts-Experte Markus Mohler kritisiert, dass schon die ersten Ermittlungen durch die eigenen Mitarbeiter des involvierten Kadermanns erfolgt seien: «Strafprozessual hat das absolut neutral zu erfolgen. Das können nicht Leute sein, die in irgendeiner Beziehung zum Beschuldigten stehen.»
Fall 2: Mutmassliche sexuelle Nötigung durch einen Kaderpolizisten
Ein weiterer Kaderpolizist wurde angezeigt, weil er seine ihm unterstellte Mitarbeiterin sexuell genötigt haben soll: Mit Zungenküssen und Zudringlichkeiten, wiederholt über mehrere Wochen. Als das Opfer den Polizeikommandanten informiert, schaltet dieser die Staatsanwaltschaft ein.
Der Beschuldigte bekommt jedoch erst zwei Monate später Hausverbot. Das war im April 2012. Seitdem ist der Beschuldigte bei vollem Gehalt krankgeschrieben. Er gibt zu, gegenüber seiner jungen Mitarbeiterin «nicht immer die nötige Distanz gewahrt» zu haben. Ohne Anerkennung einer Schuld zahlt er dem Opfer 3000 Franken, die Polizei Luzern übernimmt gut 7000 Franken für die Opferschutzanwältin.
Das Opfer willigt in einen Vergleich ein, offenbar weil sie selber strafrechtlich unter Druck gerät. Sie hatte heimlich ein Gespräch mit dem Kaderpolizisten aufgezeichnet, in der Absicht, den Kadermann zu überführen. Das Strafverfahren wird im November 2012 eingestellt, die Administrativuntersuchung läuft noch. Polizeirechts-Experte Mohler kritisiert auch diesen Fall: «Bei hohen Kadermitgliedern muss das jemand ausserkantonal durchführen. Damit jeder Anschein von Befangenheit von vornherein ausgeschlossen ist.»
Korrekte Aufarbeitung gefordert, bis hin zu einer PUK
Der Personal-Verband der Luzerner Polizei ist besorgt: «Wir fordern einzig eine saubere und korrekte Aufarbeitung der Vorfälle im Interesse unserer Mitglieder und allen Luzerner Polizistinnen und Polizisten», heisst es auf Anfrage der Rundschau. In welcher Form die Aufarbeitung durchgeführt werden soll, müssten die politisch Verantwortlichen entscheiden. Der Verband denkt an ein externes Administrativverfahren, aber auch an die «Aufsichts- und Kontrollkommission des Parlamentes oder möglicherweise sogar die Einsetzung einer PUK.»
Regierungsrätin Yvonne Schärli stellt sich den Vorwürfen
Die zuständige SP-Regierungsrätin Yvonne Schärli, Vorsteherin des Justiz-und Sicherheitsdepartements, nimmt in einem voraufgezeichneten Rundschau-Interview zu den Vorwürfen Stellung nehmen. Zum Fall des mutmasslich prügelnden Kaderpolizisten sagt sie: «Das ist absolut unerfreulich, das darf nicht passieren. Und ja, ich habe es gewusst.» Auf die Beförderung des Kadermannes angesprochen erklärt Schärli, das sei der Entscheid von Kommandant Hensler gewesen, der aufgrund der Empfehlung der Administrativ-Untersuchung so habe entscheiden müssen. Zur Kritik, bei hohen Kadermitgliedern hätte das administrative Verfahren ausserkantonal geführt werden müssen, sagt Schärli, das müsse man «immer individuell» entscheiden.
Wenn die Aufsichts- und Kontrollkommission des Parlaments eine PUK wolle, sei das deren Entscheid. Auf die Frage, ob Kommandant Beat Hensler noch ihr Vertrauen habe, sagt Schärli, sie nehme nichts Gegenteiliges wahr im Parlament oder in der Bevölkerung: «Im Moment habe ich den Eindruck, dass er das Vertrauen hat, auch bei Leuten im Polizeikorps, aber nicht bei allen.»